Neue Englischvokabel für alle, die bei New Yorker Trends mitreden wollen: “pollen tsunami”. Um sie zu übersetzen, braucht ihr kein Wörterbuch, Pollen-Tsunami ergibt auf Deutsch auch einen gewissen Sinn (wobei Blütenstaub sich ja streng genommen nicht auf dem Wasserwege verbreitet). Aber um zu verstehen, was das bedeutet …

 

Pollen Tsunami

 

Könnte ich jetzt behaupten:  … braucht ihr einen dicken Kopf. Aber das sage ich nicht. Von spitzen Bemerkungen muss ich bestimmt nur wieder husten. Also was ist da los in New York?

Extrem erhöhter Pollenflug in New York

Da ballen sich mehrere Bedingungen zusammen, und schließlich schlagen Ärzte Alarm: Pollenallergiker, aufgepasst! Und dann passiert genau das, was sie vorhergewarnt haben. Die hiesigen Pollenflug-Vorhersagen haben eine Skala von 1 bis 10. Steigen die Werte, sollen Allergiker ihren Sport möglichst drinnen machen und so weiter. Gestern zeigte die Skala 11,7 an. Wie das geht?

Mit einer neuen Grafik. Und mit Bäumen und Gräsern, die außer Rand und Band geraten sind. Das fängt alles mit dem vergangenen Winter an. Der war selbst für New Yorker Verhältnisse ungewöhnlich kalt, und zwar ungewöhnlich lange, und er brachte auch sehr viel Schnee und Eis, später auch Regen mit sich.

Für Bäume heißt das zweierlei: Die viele Feuchtigkeit gibt ihren Wurzeln alles, was sie brauchen, um in der folgenden Saison weiter oben mal so richtig ordentlich Blütenstaub produzieren zu lassen, und zwar mehr als sonst. Die lange Kälteperiode wiederum lässt sie damit erst einmal abwarten. Und abwarten.

Pollen-Tsunami: So funktioniert’s

Bis auch die Gräser blühen. Die Bäume wären damit eigentlich schon im März und April drangewesen. Jetzt schwirren alle Pollen auf einmal durch die Luft – Pollen-Tsunami!

Das ist aber noch nicht alles. Hinzu kommt die typische Großstadt-Luftverschmutzung. Viel Kohlendioxid ist super für Pflanzen, da können die sich nämlich viel mehr Blüten und entsprechenden Staub wachsen lassen als in herkömmlicher frischer Luft. Das sollte uns Menschen einleuchten; wir takeln uns in der Stadt ja auch mehr auf als auf dem Land.

 

Schön oder bedrohlich? Blühende Bäume in New York

 

Und dann ist da noch die Sache mit dem Geschlechterkampf. Unter New Yorker Bäumen haben ihn die Männer gewonnen, und damit bringen sie nun Unheil über die Menschheit. Ja, bei Bäumen gibt es Männchen und Weibchen, und wie auch in der Fauna kriegen auch in der Flora die Weibchen die Babys.

New Yorker haben aber keine Lust auf einen Baumkindergarten auf dem Gehsteig, wo die Leute dann auf Eicheln, Amberbaum-Samen oder den lustigen Propellerfrüchten des Ahorn ausrutschen. Oder gar stinkende Gingko-Früchte zermatschen. Also kaufen sie männliche Bäume; und mit “sie” meine ich auch die Stadt New York, die ja bis 2017 eine Million Bäume gepflanzt haben will. Und was machen die Baum-Männchen? Sie versprühen jede Menge Pollen.

Dieser ganze Blütenstaub findet aber nur selten eine weibliche Blüte, an der er hängenbleiben könnte. Das bedeutet jede Menge herumirrender Pollen. Und der allgemeine Männerpollenüberhang trifft nun auf die besonders erhöhte Pollenmenge wegen des feuchtkalten Frühjahrs und Winters und der Luftverschmutzung und rottet sich wegen des verzögerten Frühlingsbeginns zusammen mit den blühenden Gräsern – da haben wir den Blütenstaubsalat.

Pollen gegen Immunsystem: Sagenhafte Symptome

“Hier bitte nicht einatmen!”, möchte man am liebsten sagen. Pollen überziehen New York derzeit in einem Ausmaß, das Allergiker niederstreckt. Und viele bisherige Nicht-Allergiker auch. Allein der Gedanke, dass die dicke, gelbliche Schicht auf den Autos auch meine Lunge einhüllen könnte, hätte mir einen Heuschnupfen bescheren können. Hat er aber nicht.

 

Auto voller Pollen

 

So ein Pollen-Tsunami zieht nämlich sagenhafte Tricks aus dem Ärmel. Zum Beispiel kommt er wie Juckpulver angewabert an Stellen, die niemand kratzen kann. Tief in den Ohren. Und im Hals. Ich dachte schon, ich kriege eine Halsentzündung. Aber der Schmerz blieb aus. Was war ich erleichtert!

Bis ich dann bemerke, dass dieses seltsame Jucken immer wiederkehrt. Und hartnäckiger wird. Und wenn du dich dann fühlst, als hättest du ein Haar mit einem mikroskopisch kleinen Morgenstern dran verschluckt, dann hustest du, ohne dass sich da irgendetwas lösen kann.

Irgendwann gesellt sich aus Solidarität vielleicht auch mal Schnupfen dazu und gewährt dir Rotz. Und Kopfschmerzen natürlich. Weil dir die Augen aber nicht jucken und tränen, fragst du dich, was mit dir eigentlich nicht stimmt, so als Neu-Allergikerin (oder ist das etwa doch eine total seltsame Erkältung?). Die Symptome allein sind also tückisch.

Richtig husten für Touristen

Aber sie lassen uns auch zusammenrücken. “Hatte ich gestern auch”, hört man verdächtig oft, wenn jemand aus dem letzten Loch pfeift. Und in der U-Bahn hegen viele jetzt Hoffnung, wenn der Typ neben ihnen offen vor sich hin niest und hustet: Vielleicht hat er gar keine Grippe oder Tuberkulose, sondern leidet bloß unter dem Pollen-Tsunami.

Trotzdem, falls ihr grad mitten im dicksten Pollenflugverkehr nach New York reist: Man niest und hustet in New York in die Ellenbogenbeuge! Nicht die Hand davorhalten. Damit fasst ihr doch gleich zig U-Bahn-Stangen an! Und wir wollen eure Bazillen nicht. Wir haben mit unseren Pollen schon genug am Hals.

Im Hals, meine ich natürlich.