Urban Farming: Farm on Kent, Brooklyn

In der Stadt Gemüse anbauen? Mit Urban Farming kann man einen Blumentopf gewinnen, wenn’s ums Image geht. Das kommt nun den Baulöwen zupass, die auf dem Gelände der Domino Sugar Refinery in Brooklyn schicke Eigentumswohnungen in die Höhe ziehen werden.

Bereits zum zweiten Mal erlauben sie den Stadtbauern von North Brooklyn Farms, auf einem (noch) brachliegenden Teil der Baustelle Gemüse und Blumen zu ziehen. Aber nur, bis die Bauarbeiten in dem Teil der alten Fabrik beginnen, der erhalten und kernsaniert wird.

Domino Sugar Fabrik

Urban Farming auf Zeit – das ist in New York im Grunde ein alter Hut. Als nach der Finanzkrise Geld und Risikofreude perdu waren, stand so manche Baustelle still. Großstadtgärtner, Köche und Öko-Abenteurer nutzten die Chance: Sie stellten reihenweise Gemüsekübel auf Asphalt, beackerten holzumrandete Beete hinter dem Bauzaun.

Container auf der Urban Farm

Und jetzt können New Yorker nach Williamsburg pilgern und auf der Farm on Kent nicht nur auf Nutzpflanzen, sondern auch auf den East River, die Williamsburg Bridge und die Skyline von Manhattan schauen.

Urban Farm trifft Manhattan

Dieser Gemüseanbau mitten in New York hat in punkto Naturverbundenheit allerdings seine Grenzen. Das Grünzeug der Farm on Kent wächst nun einmal nicht auf einem Acker, sondern auf einer Fläche, wo bis vor dem Abriss in diesem Jahr Industriegebäude standen.

Gemüse auf der Baustelle

Niemand weiß, was da so alles im Boden steckt. Schließlich stammt die Zuckerfabrik aus Zeiten, in denen das Wort Umweltschutz noch in der Buchstabensuppe schwamm.

Grünkohl, Tomaten und Sonnenblumen wachsen in diesem Stadtgarten deshalb über einer Trennschicht des heimischen Bodens auf Erde, die von außerhalb New Yorks hergekarrt wurde.

Erde, Grünkohl, Stadtidyll

Jeder darf herkommen, sich umschauen, verweilen. Der Duft der großen Freiheit, der Urban Farming-Projekte begleitet, verweht in diesem Garten allerdings kurz hinter dem Eingang.

Bauernregeln: Verbotenes im Gemüsegarten

Dort, so wird schnell klar, verlässt man den öffentlichen Raum – und hält sich stattdessen an die Öffnungszeiten. Eine lange Liste erklärt zudem, was man so alles nicht darf. Und wie ich später noch erleben werde, halten die Baustellen-Bauern ihren grünen Daumen auch aufs Image.*

Verboten

Pflichten gibt es auf dieser für Besucher offenen Urban Farm auch. Zum Beispiel muss man Platz machen, wenn andere Leute einen Sitzplatz suchen. Diese Regel klingt nur komisch, wenn man noch nie in einem Coffeeshop in Williamsburg versucht hat, seinen Möhrenkuchen auf einem Gemeinschaftstisch voller Arbeitsutensilien unterzubringen.

Urban Farm für Foodies

Apropos Möhren: Das Gemüse der Farm on Kent darf man auch probieren. Nein, nein, nicht im Vorbeigehen, sondern von langer Hand geplant. Du kannst dich für ein Supper auf der Farm anmelden (ab ca. 75 Dollar) oder  eine ganz besondere Form des wöchentlichen Gemüse-Abos bestellen.

Damit reservierst du eine Holzkiste mit Logo drauf und der Ernte aus dem Urban Farming drin, plus weiteren Leckereien von anderen Gourmet-Zutaten-Lieferanten und passendem Rezept dazu. Da gibt es dann beispielsweise Mais, Jalapeno-Pfefferschoten, Tomaten und Paprika plus Chipotle-Salz, getrocknete schwarze Bohnen und Smoked Tomato Fettucini.

Bauer kriegt Trinkgeld?

Die so genannte “Magic Box” kostet 540 Dollar für 12 Wochen. Das macht ungefähr 45 Dollar pro Kiste und ist gesünder als das meiste, was man für diesen Betrag aus einem Restaurant ins Haus bestellen würde, macht aber natürlich mehr Arbeit. Ein New Yorker Mindestlohnempfänger müsste für eine Kiste zum Beispiel mehr als fünf Stunden arbeiten.

Die schöne Aussicht und das Gefühl von Gras unter den Fußsohlen kostet auf dieser Urban Farm dagegen fast nichts. Nur einen Moment Zeit.

Urban Farm mit Sonnenblume

Farm on Kent, 320 Kent Avenue (Ecke South 4th Street), Williamsburg (Brooklyn). Im Herbst 2015 dienstags bis sonntags von 11-20 Uhr geöffnet – es sei denn, es findet eine Privatveranstaltung statt. Am besten vorher auf deren Facebook-Seite nachschauen.

 

Wo Baby-Pflanzen schlafen

*Zu den Regeln, die in aller Ausführlichkeit auf der Website nachzulesen sind, gehört auch:

Auf der Farm on Kent darf man nur Fotos für den Privatgebrauch machen. Will man diese Fotos veröffentlichen, braucht es eine schriftliche Erlaubnis (also Obacht, liebe Bloggerinnen!). Na gut, hab ich halt einen Link zu Moment: New York hingeschickt und artig gefragt. Daraufhin sollte ich meine Fotos vorlegen. Kurze Zeit später kam eine E-Mail: “Thank you Petrina. They look great.”

Seither frage ich mich, was ich denn wohl Schreckliches hätte fotografieren können: Nacktschnecken? Die Farmleute habe ich das auch gefragt (ohne das tierische Beispiel). Eine Antwort habe ich leider nicht bekommen.