So, Leute, wir wandern jetzt aus und reisen auch noch durch die Zeit und nein, ich habe nicht meinen Cocktail stehenlassen, als ich auf dem Klo war, ich heiße doch nicht Petrina Ramone (für die Uninitiierten: Googelt einfach mal „Somebody Put Something In My Drink“ und dann seht zu, wie ihr euren neu erworbenen hervorragenden Musikgeschmack wieder loswerdet).

Mit Müh und Not von Kai Blum Auwanderer KrimiIch hab mich aber in einem Roman namens „Mit Müh und Not“ verloren und unter anderem gelernt, dass der 1. Mai als Tag der Arbeit gar nicht in Deutschland oder sonstwo in Europa, sondern in den USA seinen Ursprung hat. Und das, obwohl ich eigentlich einer Krimihandlung rund um deutsche Auswanderer im Amerika vor 130 Jahren folgte!

Verantwortlich für solcherlei Gebraus in meinen Hirnwindungen ist Kai Blum. Der hat nicht nur diesen Auswandererkrimi geschrieben – das Buch ist schon der dritte Teil einer Serie. Außerdem hat er dem deutschsprachigen Buchhandel vier Sachbücher über die USA beigesteuert, und so haben wir uns auch kennengelernt.

Mein New York-Buch ist nämlich die kleine Schwester von Kais „Fettnäpfchenführer USA“ (in dem er sich tatsächlich die kulturellen Missverständnisse vornimmt), und diese Verwandtschaft machte uns erst neugierig, dann zu Fans unserer jeweiligen Blogs und bald darauf zu einer Art E-Mail-Brieffreunde. Gesehen haben wir uns noch nie. Aber neulich haben wir zum ersten Mal miteinander gesprochen – und bald dürft ihr dabei mithören.

Der Dialog mit Kai hat mich nämlich auf eine Idee für einen Podcast gebracht, und ich bin superfroh, dass er als Stammgast mit dabei sein wird – stay tuned! Jetzt und hier gibt’s aber erst einmal was zu lesen. Ganz in der Tradition unserer E-Mail-Wechsel habe ich Kai im lustigen Hin und Her schriftlich über deutsche Auswanderer von anno tuck bis heute befragt.

Was hat dich darauf gebracht, dich mit deutschen Auswanderern im 19. Jahrhundert zu beschäftigen?

Kai Blum: Mitte der Neunziger Jahre wohnte ich eine zeitlang in South Dakota. Da habe ich alte Leute kennengelernt, die Plattdeutsch sprechen konnten, weil ihre Eltern aus Mecklenburg ausgewandert waren. Ich habe auch die extremen klimatischen Bedingungen erlebt, die heißen Sommer und die kalten, schneereichen Winter. Die Siedler, die sich dort einmal niederließen, müssen wirklich gute Gründe gehabt haben, um diese und andere Härten, wie das Leben in einer beinahe menschenleeren Gegend, in Kauf zu nehmen. Diesen Gedanken wurde ich nicht mehr los. Zur gleichen Zeit begann ich dann auch, die Bücher des norwegischen Einwanderers Ole Edvart Rølvaag zu lesen, in denen es genau um diese Erfahrungen ging und die mich letztendlich wohl dazu angeregt haben, über deutsche Siedler in der Prärie zu schreiben.

Was meinst du denn inzwischen, welche Gründe diese Auswanderer dazu gebracht haben, ausgerechnet im jetzigen North Dakota und South Dakota zu bleiben?

Die Auswanderer sind mit großen Hoffnungen gekommen, die auch dadurch genährt wurden, dass die Eisenbahngesellschaften diese Region als sehr fruchtbar und klimatisch vorteilhaft anpriesen. Die Auswanderer aus Deutschland waren zumeist besitzlose Landarbeiter, die in der Heimat keine Chance hatten, ihre wirtschaftliche Lage zu verbessern. Im Dakota-Gebiet, das damals noch kein Bundesstaat war, bekamen sie entweder kostenloses Land von der Regierung zugeteilt oder konnten preiswertes Land von den Eisenbahngesellschaften kaufen. Die Möglichkeit, endlich selbst Land zu besitzen, war extrem verlockend.

Einen enormen Anteil an den Einwanderern in dieser Region stellten aber auch Russlanddeutsche dar. Diese Einwanderergruppe hatte andere Gründe: Die Sonderrechte, die ihnen in Russland lange Zeit eine weitgehende Autonomie ermöglichten, waren vom Zaren zurückgenommen worden. So mussten zum Beispiel die jungen Männer jetzt in der russischen Armee dienen.

Beiden Gruppen gemein war, dass die Kosten der Auswanderung und des Neuanfangs alle Ersparnisse verschlangen, sodass ein weiterer Umzug oder eine Rückkehr in die alte Heimat nicht möglich waren. Bei den Russlanddeutschen war eine Umkehr ohnehin ausgeschlossen, da die Dorfgemeinschaften in der Regel komplett nach Amerika ausgewandert waren und ihre Höfe nun von Russen bewohnt wurden.

Welche Spuren dieser Einwanderer hast du im ehemaligen Dakota-Gebiet gefunden?

Am wichtigsten waren natürlich die direkten Verbindungen, die manche Menschen, die ich getroffen habe, noch zu dieser Zeit hatten. Eine alte Frau war zum Beispiel noch in einer Erdhütte geboren worden, so wie sie die meisten Siedler anfangs bewohnt hatten, weil sie kein Geld für Bretter hatten, die in der baumlosen Prärie sehr teuer waren. Im ersten Teil meiner Auswandererkrimis, „Hoffnung ist ein weites Feld“, beschreibe ich das ausführlich. Dann sind da natürlich auch überall deutsche Namen, sowohl der Leute als auch was viele Orte betrifft, und auf Friedhöfen gibt es die Grabsteine der deutschen Siedler.

Die meisten Informationen habe ich aus Büchern, Briefen und Fotos gewonnen, die von verschiedenen Archiven in den Präriestaaten digitalisiert wurden. Im Museum der South Dakota State Historical Society in Pierre, wo ich eine Weile gewohnt habe, lassen sich zudem viele Gebrauchsgegenstände und landwirtschaftliche Geräte aus dieser Zeit sowie eine richtige Erdhütte betrachten. Und im Minnesota History Center kann man in einem Simulator im nachgebauten Keller eines Hauses sitzen und einen Tornado miterleben. Dieses Erlebnis hat mich zu einem Abschnitt in „Hoffnung ist ein weites Feld“ inspiriert.

Autor Kai Blum

Kai Blum
lebt seit 1994 in den USA,
wohnt in Chicago,
verdient seine Brötchen als SEO Specialist
und hat bisher 4 USA-Sachbücher und
3 Auswandererkrimis geschrieben,
obwohl er oft wochenlang kein Deutsch spricht.

Hundert Jahre später hast du selbst als Auswanderer in dieser Gegend gelebt. Was hat dich ausgerechnet dorthin verschlagen?

Ich war damals, Mitte der Neunziger, mit einer Amerikanerin verheiratet, die dort geboren wurde. Ihre Familie stammte aus Mecklenburg, genauer gesagt aus Neukalen, was ganz in der Nähe der Dörfer liegt, aus denen einige der Figuren in „Hoffnung ist ein weites Feld“ stammen. Jedenfalls waren wir damals auf der Suche nach einem Wohnort und versuchten es einfach mal mit South Dakota, erst mit Sioux Falls und dann mit Pierre, was mitten in der Prärie liegt.

Wie bist du überhaupt darauf gekommen, in die USA auszuwandern?

Das war eine recht spontane Entscheidung. Ich wollte schon ganz gern im Ausland leben, hatte da aber eher an Belgien oder Dänemark gedacht. Aber dadurch, dass ich eine Amerikanerin kennenlernte, ging es dann halt in die USA. Davor hatte ich mich nicht mehr oder weniger mit dem Land beschäftigt als die meisten Deutschen.

Amerika ist ja durchaus ein Thema in Deutschland – und ein Ziel für Auswanderer. Was schätzen Deutsche deiner Ansicht nach oft falsch ein?

Dass Amerika im Urlaub und Amerika im Alltag zwei grundsätzlich verschiedene Dinge sind. Da verfliegt die anfängliche Begeisterung oft schon nach einigen Monaten, wenn man sich nicht darauf einstellt. Probleme wird es nämlich ganz zwangsläufig geben, so wie das überall der Fall sein würde. Nur dass diese Sachen dann eben USA-spezifisch sind und für Neuankömmlinge verwirrend und frustrierend sein können, zum Beispiel was die komplizierte und teure Gesundheitsversorgung oder den nicht vorhandenen Mutterschutz angeht. Das steht dann im Widerspruch zu dem Traumbild, das man von den USA hatte. Für Amerikaner sind diese Dinge übrigens auch frustrierend, und viele sind ihrem eigenen Land gegenüber viel kritischer, als es die meisten Deutschen wohl für möglich halten.

Das erlebe ich auch immer wieder! Verrätst du mir zum Schluss noch ein, zwei Dinge, die du umgekehrt am Leben in den USA sehr zu schätzen weißt?

Was mir wirklich sehr gefällt, ist der zwanglose Umgang der Generationen miteinander und dass alte Leute in der Regel sehr aktiv sind. Auch der Umgang mit Schwerstbehinderten erfolgt ohne jegliche Berührungsangst. Ein weiterer Pluspunkt ist die ständige Bewegung am Arbeitsmarkt. Ein Arbeitsplatzwechsel nach zwei, drei Jahren ist in vielen Bereichen ganz normal. Dadurch werden immer wieder interessante Stellen frei und ermöglichen auch Einwanderern einen Einstieg.

 

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