Manchmal steckt bloß Bequemlichkeit dahinter, wenn den Leuten das Geld ausgeht und sie Schulden machen. Gerade in New York. Hier ist Zeit Geld, und umgekehrt nagt der Zeitmangel heimlich, still und leise an den Zwanzigern, die der Bankautomat ausspuckt.

Wie leicht New York dir das Geld aus der Tasche zieht

B. zum Beispiel holt sich morgens erst mal einen Kaffee bei Starbucks. Und dann noch einen. Sie könnte natürlich auch weniger als die Hälfte dafür an einem Food Cart ausgeben. Aber bei ihr um die Ecke steht halt keiner. Und natürlich könnte sie ein einziges Mal in einen Thermokaffeebecher investieren und sich dann zu Hause Kaffee brühen, umfüllen und … Nee, für so was hab ich keine Zeit, sagt sie. Und ruft ihren Ex an. Der soll ihr mal wieder was leihen. Irgendwie kommt sie mit der Miete nicht hin.

S. macht so was nicht. Der sucht ständig weitere Einkommensquellen, zur Not als Statist, im Call Center sowieso, denn seinen Job hat er vor knapp einem Jahr verloren, seither verrechnet er jeden Monat die Arbeitslosenhilfe (yep, Leute, so was gibt es in Amerika auch!) mit den kleinen Gigs, aber bald läuft die aus. Und er spielt Lotto.

Jeden Freitag, seit 30 Jahren schon. Und wo er schon in der Bodega seinen Lottoschein besorgt, holt er dort auch gleich noch Bargeld, einen Zwanziger, das reicht ja für heute. Weil der Laden nun mal keine Bank ist, sondern eine der allgegenwärtigen Halsabschneider-ATMs da rumstehen hat, kostet ihn das pro Abheben vier Dollar.

Schulden statt Gulden

Schulden statt Gulden?

An Geld mag es mangeln, an Sprüchen allerdings nicht: Knietief im Dispo. Bei uns kommt das Geld aus dem Automaten. Am Ende des Geldes ist immer noch so viel Monat übrig. Blablabla. Oder auch: Jammern auf hohem Niveau.

Kennt ihr auch Leute, die zum Ersten frisches Geld auf dem Konto vorfinden und das dann erst mal beidhändig rauspfeffern und jetzt schon wieder Schulden haben, wo gerade mal eine Sieben das Kalenderblatt auf dem Klo ziert? Ich schon. Und es kommt noch schlimmer.

Haben, Soll und Nicht-Haben

In New York treffe ich nicht nur Leute, die nicht wissen, wie sie eigentlich schon wieder die ganze Kohle verplempert haben, sondern auch solche, die gar nichts zum Verplempern haben. Hier wohnt einer im Auto. Da trägt eine Zahnlücke statt Krone. Dort fällt das Mittagessen mal wieder aus.

Und ich weiß jetzt nicht, ob ich Schulden habe oder nicht. Ich lebe in New York und zahle hier Steuern. Deshalb müsste das doch eigentlich für mich gelten:

US-Schulden 6. Oktober 2015

Bämmm! Ein sechsstelliger Dollarbetrag Schulden, nur für meine Familie. Das war Anfang Oktober. Einen Monat später ist der Schuldenberg schon gewachsen.

Schulden auf der Schuldenuhr

Von einer schwarzen Null sind wir weit entfernt. Das wollte Seymour Durst den Menschen vor Augen führen, denen eine Staatsverschuldung ungefähr so nahe geht wie ein Staatsempfang. 100.000 Dollar blätterte der Immobilieninvestor 1989 hin, damit die National Debt Clock gebaut wurde.

Die Schuldenuhr in New York zeigt, wo’s langgeht (meistens)

Durst erlebte es nicht mehr mit, wie die Schuldenuhr zwischen den Jahren 2000 und 2002 nichts anzeigte (er starb 1995): Auf fallende Schulden war sie nicht eingestellt. Dieses technische Problem ist inzwischen behoben. Leider muss die Uhr aber schon lange nicht mehr rückwärts laufen können. Stattdessen passiert noch etwas, das die Uhr zurück in die Werkstatt schickt: Es ist nicht mehr genug Platz für die Schulden.

Am 30. September 2008 überschreiten die US-Schulden die 10-Billionen-Grenze. Seit 2009 kann die Schuldenuhr das anzeigen (als Durst sie bauen ließ, lagen die Staatsschulden bei 2,7 Billionen). Im Moment dauert es um die zwei Minuten, bis eine weitere Million aufleuchtet.

Wenn ihr unseren Schulden beim Wachsen zuschauen wollt: Die National Dept Clock steht heute an 1133 Avenue of the Americas (ein kleines Stück in die West 44th Street hineinschlendern). Oder ihr schaut im Internet nach.