Regeln, Regeln und noch mehr Regeln brummen sie uns im Laufe der Zeit auf, da muss ein ganzer Haufen in meinem Hirn herumliegen. Manchmal lenkt er mich in die richtige Richtung, da greife ich erst zum Topflappen, dann zum Topf. Vor allem aber erlebe ich immer wieder: Du musst die Regeln erst einmal kennen und beherrschen, ehe du sie auf eine Weise brechen kannst, die dir Ohs, Ahs und Spaß in den Backen einbringt.

Und jetzt stehe ich vor einer roten Ruine und die Inspiration sprüht Funken. Oder sind das nur Sandkörner, die er Wind mir in die Visage weht?

Blickfang Rockaway New York rotes Haus

Ich erinnere mich, wie viel Mühe sie sich im Kindergarten dabei gaben, uns beizubringen: Nicht über den Rand malen. So sollte das gelbe Gekrakel im Kringel die Form der Sonne annehmen. Und vielleicht würde daraus einmal große Kunst werden.

Über den Rand malen – und denken

Katharina Grosse ist kein Kindergartenkind, sondern Künstlerin, und sie malt ständig über den Rand. Über die ganze Leinwand hinaus. Ach was, noch weiter! Sie sprüht übers Sofa und quer durch eine Galerie. Nimm dies, Tellerranddenke!

Diesen Sommer tauchte Katharina Grosse mit einem Batallion aus Sprühfarbenbehältern in New York auf und machte sich an die Arbeit. Klar hätte sie dem minimalistischen Betonboden einer Galerie einen Farbschock verpassen können. Hat sie aber nicht.

Rockaway New York rotes Haus

Stattdessen hat sie sich eine der längst fensterlosen Baracken vorgenommen, die einmal zum Fort Tilden in Rockaway gehörten. Heute ist dort New Yorks liebster Hippie- und Hipsterstrand, ohne Rettungsschwimmer oder Klos, mit Dünen und verlassenem Militärgedöns.

Aber ganz so freizügig geht es da jetzt doch nicht zu. Gleich vor dem kunstbeseelten Haus finde ich Regeln für Autofahrer. Obwohl die an diesem Ort zu einer verschwindend kleinen Minderheit gehören, unter anderem, weil es kompliziert ist, einen Autoweg bis an den Strand zu finden.

Rockaway Katharina Grosse Strand New York

Auf der anderen Seite, direkt vor der Ruine, steht ein weiteres Schild. Man möge bitte nicht in das Haus hineingehen, lese ich da. Ich halte mich dran. Mir fällt zum Glück nur selten die Decke auf den Kopf, und ich will mir nicht die Statistik verderben.

Die unbewachte Gratis-und-Draußen-Ausstellung “Rockaway!” von Katharina Grosse läuft noch bis zum 30. November. Ich frage mich, was dann passiert. Mit dem Haus. Und mit den Schildern.