“Ich war das nicht!”, ruft der kleine Pimpf. Seine Mutter sagt immer, er sei Papas kleiner Prinz, aber sie lächelt dabei ihr Familienlächeln. In den seltenen Momenten, in denen er so geschickt in sie hineingeschmiegt lehnt, dass er weder ihr Haar noch ihr Rouge gefährdet, kann er es leise knirschen hören. Stolz bewahrt er ihr Geheimnis.

Weil sie die Zähne beim Lächeln so zusammenbeißt, klingt es halt nie so, als sei er ein vergötterter Prinz. Sondern ein zwischen den Zähnen angezischter Pimpf. Und so was bleibt in einem Kinderhirn hängen.

Ein Klumpen, so wie das schlechte Wetter beim vierten Geburtstag und die kratzige Hose, die einfach nicht zu klein werden wollte. Irgendwann, wenn die Kinderwelt vergessen ist, wächst der Pimpfklumpen vielleicht zu einem großen Groll, den sich der kleine Pimpf gar nicht erklären kann. Das ist ihm aber egal. Jetzt ist er aus gutem Grund stocksauer.

Die anderen sind doof.

Und sauer sind sie auch noch. Der kleinste von ihnen will, dass der kleine Pimpf sich eine andere Schule sucht, die anderen stehen voll dahinter, und bei so einer miesen Stimmung will der kleine Pimpf eigentlich ja selber woanders zur Schule gehen. Aber bloß weil der kleine Loser da jetzt ein paar von den Großen vorschickt, gibt er das noch lange nicht zu.

Der Hausmeister stöhnt, als er die Schultür quietschen hört. Bald schon wird sich irgendwer beschweren, sie müsse geölt werden. Aber die Spätschicht ging lang, seine Knochen kleben magnetisch am Boden, nur noch fünf Minuten, dann steht er auf, aber nicht jetzt. Im Halbschlaf fragt er sich, wer um diese Zeit in die Schule gekommen sein mag. Die Truppen kommen doch immer vor Unterrichtsbeginn?

Pffff, aufgeflogene Spickzettel! Der kleine Pimpf gibt sich beleidigt, und eigentlich ist er das sogar auch. Wieso sagt ihm keiner, dass da Spickzettel in den Klokästen versteckt sind, wo doch alle wissen, dass er mal ein cleverer Geschäftsmann werden soll? Er war das jedenfalls nicht, er ist doch keine Petze.

Wieso lachen die denn jetzt so?

Der Glanz der Privatschulflure verdunkelt sich von Tür zu Tür. Etwas segelt vorbei, kalt und hart und so schwarz, dass alle Farbe rundherum ihren Daseinszweck vergisst.

“Sagt doch keiner, dass du die Spicker geklaut hast”, sagt der kleine Loser und feixt. “Du hast echt keinen Schimmer, meine Fresse noch eins.” Der kleine Pimpf holt tief Luft. Die Gruppe hat aufgehört, weiter in seine Richtung zu stapfen. Der kleine Loser scheint hin- und hergerissen zu sein zwischen Schadenfreude und Überraschung.

Einer der Großen springt hervor und packt den kleinen Pimpf bei der Krawatte. “Sagt doch keiner, dass du irgendwelche Zettel aus den Klokästen gefischt hast”, zischt er ihn an. Der kleine Loser prescht vor und versucht erfolglos, den Großen davon abzuhalten, weiterzureden. “Jeden Morgen gehen die hier durch”, sagt der Große, “überall. Kucken in jeden Winkel, dass da bloß nichts versteckt ist. Und alles nur deinetwegen. Weil du der Sohn von dem bist.”

Ratlos blickt der kleine Pimpf von einem Kind zum anderen. Dabei bemerkt er eine Bewegung, langsam und immer schneller setzt sie sich von hinten bis fast zu ihm durch. Ein Schultertippen, ein Blick nach hinten, ein Zurseitetreten. Dann sieht er, dass die Klassenzimmertür offensteht, und plötzlich wird alles dunkel.

“Ich bin dein Vater” ist das letzte, was er hört.

 

Empire

Das kommt davon. Eigentlich wollte ich euch nur die Weihnachtsschaufenster fotografieren gehen, aber kurz vorher sah ich vorher beim Nachrichtenüberfliegen ein Foto, das ich für Satire hielt. Weil mich die Frage nicht losließ, ob es so etwas tatsächlich gibt, ging ich unterwegs in den Trump Tower und schaute nach.

Stellt sich heraus, dass New York in einer Zeit der Ironieimmunität angekommen zu sein scheint, die mir seltsame Geschichten in die Tastatur flüstert. Mehr von meinem Besuch schreibe ich trotzdem die Tage noch auf, wer weiß, vielleicht erschließt sich euch dann ja das eine oder andere Stück Inspiration. Aber vorher kommen Glitzerfensterfotos zur Beruhigung.