Ich bin mit einer Wirtschaftskorrespondentin auf einen Feierabend-Drink zur Happy Hour in der Rodeo Bar verabredet. Ihr Zug hat recht viel Verspätung, also setze ich mich erst mal allein an die Bar. Nach einer Weile sagt der Mann neben mir: “Ich bin eigentlich nicht politisch korrekt, aber die Kleidung dieser Mädchen ist sexistisch.”

Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn recht verstanden habe, und frage nach, ob er gerade “sexy” oder “sexistisch” gesagt hat. Aber ich habe das schon richtig verstanden. Kurz zuvor war ein Grüppchen durch den Eingang hinter uns getreten, aufgemacht wie ein kleines Variete: Ein Mann mit Melone führte den Aufzug an (und hielt den Damen die Tür auf), eine der Frauen hatte eine Boa um die Schultern gelegt – und zwar nicht die fedrige Variante, sondern eine Albino-Schlange, die zu meinem Entsetzen nicht aus Plastik, sondern lebendig ist.

Die beiden Mädchen, von denen der Mann neben mir jetzt spricht, tragen Tabletts voller Plastikbecher. Die ganze Gruppe macht Werbung für ein Bier, das man gratis probieren darf. Die Mädchen sind gekleidet, als sollten sie die Rocky Horror Picture Show in einem Burlesque-Theater aufführen: Sie tragen winzige Hütchen, schwarze Korsage mit Uniformjäckchen, sehr knappe Hotpants und Netzstrümpfe mit freigelegten Strumpfhaltern.

“Na ja, es ist eben Halloween”, räumt mein Barnachbar ein. “Aber trotzdem.” Ich weiß nicht so richtig, warum er mir das erzählt und was er von mir hören will. Kurz darauf lehnt sich ein anderer Mann zu mir und fragt: “Was machen die da?” An der Treppe in den oberen Stock sind zwei weitere, äußerst biegsame und leicht bekleidete weibliche Mitglieder der Truppe dabei, sich ums Geländer zu schlingen. “Stretching”, sage ich, “das nennt man Stretching.” Mein Beharren auf sportliche Aspekte funktioniert prächtig, den Typen bin ich auch los. Als ich mich gerade frage, ob diese Heuchelei wohl eine Strategie sein soll, um bei einer Frau landen, kommt meine Kollegin.

Kaum hat sie ihre Tasche verstaut und sich auf den Hocker neben mir geschwungen, kommt der Mann aus der Werbetruppe zu uns. Ich hatte vorher schon von weitem gesehen, was seine Spezialität ist – es scheint ein Trend in New York zu sein, ich habe das an ganz anderem Ort auch schon vorgeführt bekommen. “Dieses Bier bringt mich dazu, dass ich mir einen Schraubenzieher in die Nase stecken will”, sagt er, und ich kann nicht entdecken, wie dieser Spruch mir das Bier schmackhaft machen soll. Nachdem er mit seiner Show fertig ist, frage ich ihn also: “Jetzt mal im Ernst: Was hat das denn mit einem Bier zu tun?” Er zuckt die Achseln. “Ist halt ein interessantes Bier”, sagt er. Und verschwindet. Inklusive der Schlangenfrauen und der Frau mit Schlange.

Zum Nachschlag ein Stück unnützes Wissen: In der Oxford-Dictionary findet sich die Redensart “to have a screw loose”. In meinen Ohren klingt das wie eine fürchterliche Wort-für-Wort-Übersetzung von “eine Schraube locker haben”, es bedeutet aber genau das.