Überdosis

“Ist das echt?” Ich kann nicht anders, als diese Frage zu stellen. Die Antwort lautet ja. Und nicht nur das. Mike holt noch so ein Glas voll aus der Küche, ich glaube, weil das schon angebrochen ist, und er schraubt es auf, damit ich sehen kann, dass er nicht lügt. Fünf Kilo von dem Zeug auf einem Haufen, so was habe ich noch nie gesehen. Mir wird ein bisschen komisch, ich hab Angst, dass die Suchtrezeptoren sich mir schon aus dem Hirn beulen vor lauter Verlangen. Und es ist mehr als echt. “Es ist italienisch”,…

Trinklieder

Na klar kann man im Dropkick Murphys-Shirt Bach singen. Und zwar nicht nur bei irgendeiner Probe, sondern vor Publikum. Später wird Amanda sich für ihre Aussprache entschuldigen, als sie mitbekommt, dass ich Deutsche bin. Das ist aber unnötig. Ich habe jedes Wort verstanden. Opera on Tap bringt Opernklänge in Kneipen. Da wird der Name schon mal zum Programm: Jedes Mal, wenn “rejoice” vorkommt (in “Rejoice” aus Händels Messias, einem der Hits des Themenabends zu Religion), sollen wir trinken. “Is not his word like a hammer that braketh the rock?” Damit hat eben schon ein dramatischer…

Moment mal: Bikini für Männer

Die Saison der Haarfeinde hat begonnen, und dieses Jahr geht sie einen Schritt weiter. Bisher betrafen die Trends dabei meistens Frauen (Vajazzling ist aber längst Glitzerschnee vom letzten Jahr). Jetzt bietet ein New Yorker Spa He-Waxing an: Enthaaren für Männer an der Stelle, die beim selben Service für Frauen Bikinizone genannt wird – und darüber hinaus. Schließlich wachsen Männerhaare auch schon mal auf den, wie es im Menü der Angebote so schön heißt, Backen. Und dazwischen. Die Prozedur erfordert vermutlich eine He-Man-Mentalität. Deshalb muss man das Geschäft anscheinend mit Mutmacherei ankurbeln. Und Männer haben ja…

Wer Rabatt verdient

Stützen der Gesellschaft bekommen etwas zurück. Soldaten in Uniform brauchen hier in vielen Kultureinrichtungen keinen Eintritt zu bezahlen, manchmal sehe ich auch, wie jemand einem Soldaten die Hand schüttelt und sich bedankt. Ich fühle mich dabei ein wenig unwohl, weil die Männer und Frauen zwar für ihr Land den Kopf hinhalten, aber eben womöglich auch anderer Leute Leben auf dem Gewissen haben. Aber das Prinzip finde ich gut: Anerkennung für die Stützen der Gesellschaft. Und die gibt es, wenn auch meist weniger gut sichtbar, auch für friedlichere Berufe mit diesem Kern.

Frühlingsboten

Warm ist es nicht. Das war es schon, dann wieder knapp an der Schneesturmreprise vorbei, jetzt etwas milder, aber mit kaltem Wind. Trotzdem ist in New York eindeutig das Frühjahr eingekehrt: Dieses Wochenende beginnt der Brooklyn Flea wieder seine Outdoor-Saison. Dieses Jahr ist ein neuer Ort mit besten Aussichten hinzugekommen. Das alles können Flohmarktfreunde gar nicht erwarten. In Williamsburg macht der Brooklyn Flea jetzt also dem Artists & Flea Konkurrenz (der ein paar Kleiderstangenlängen entfernt in seiner Halle residiert), hat zwar den Blick auf Manhattan auf der Habenseite, aber dafür keinen Schatten. Was heute noch…

Sandburg oder Luftschloss?

Es ist immer wieder dasselbe, und diese Wiederholung gefällt mir gar sehr. Ich nutze gerne aus, dass New York so nah am Meer liegt, vor allem, wenn keine Strandsaison ist. Aber wenn ich dann ein Zipfelchen Meer sehen kann, werde ich unruhig, und wenn ich so weit bin, dass die letzten Häuser hinter mir liegen und den Blick freigeben auf Sand und Wasser und Weite, dann meldet mein Hirn für einen Augenblick schieren Unglauben. Heute habe ich diesen Moment gleich zweimal. Erst, wie schon zigmal zuvor, beim ersten unverstellten Blick auf den Strand. Und dann…

Papierchaos

Erst denke ich: Ach, jetzt kommt wieder so eine Künstlerbiografie. Erst hört es sich auch so an, der tolle Autor, der dies und jenes veröffentlicht hat – aber dann nimmt Sumanth Prabhaker eine Abzweigung auf dem Weg zur Lesung.  Der Chef des Verlags Madras Press lässt heute drei seiner Autoren lesen. Über Rebecca Lee zum Beispiel erzählt er, wie einer ihrer Mitstudenten am College zu ihrer Geschichte sagte: Die könnte man hochwerfen, bis die Blätter in der ganzen Klasse verteilt herumflögen, und egal in welcher Reihenfolge man sie dann läse, sie ergäbe noch Sinn. Dann…