Moment mal: Brustverkleinerung

“Do you work out?” Diese Frage betrachtet so mancher New Yorker als wirkungsvolles Kompliment. Um es zu bekommen, lässt ein Mann schon mal die Schulter kreisen und verzieht das Gesicht, und wenn das nicht reicht, sagt er, er habe sich beim Workout wehgetan. Die Wetterfee im Fernsehen hat sich derweil extra ein jahreszeitenverachtendes ärmelloses Kleid angezogen, damit man ihre Arme bewundern kann. Aber es geht nicht nur um das Ergebnis von zehntausend Curls. Es soll auch was weg. Bauch- und Hüftspeck zum Beispiel. Und in letzter Zeit auch unerwünscht große Brüste bei Männern. Im englischen…

Groß gefeiert

Die Amis machen gern Schnäppchen. Deshalb ist hier ständig “sale” (Ausverkauf), dazu kommt in anderthalb Wochen eine separate Geschichte. Günstig sollen aber auch die ganzen Großpackungen erscheinen. Cornflakes bekommt man in Riesenkartons, die Milch dazu in Kanistern, die rund vier Liter fassen, und so weiter. Daran gewöhnt man sich. Aber jetzt fällt mir im Baumarkt etwas ins Auge, das ich bislang nicht mit Größenwahn verbunden habe: Weihnachtsdekoration. Einige Kugeln sind so groß, dass ich zwei Hände bräuchte, um sie zu umfassen, nun ja, man soll ja auch vorsichtig damit umgehen. Und auf dem Boden stehen…

Wer den Pfennig nicht ehrt

Der Kollege, mit dem ich gerade von einem Termin komme, lacht. Eben bin ich einen halben Schritt New Yorker Laufgeschwindigkeit hinter ihn zurückgefallen, weil ich mich unvermittelt gebückt und dabei gezielt habe. “Das mache ich auch immer”, sagt er. Wir lesen Cent-Stücke von der Straße auf. Ich finde fast jeden Tag eins, er hat die Sache perfektioniert: Er sammelt alles in einem dieser großen Saftcontainer. Auch im Büro, sagt er, lassen die Leute oft Klimpergeld fallen. Mit all den Fundstücken ist er nach einem Jahr zur Bank gegangen, hat sie zählen und wechseln lassen. 175…

Dosenpfand

Das ist nicht die Recycling-Tonne. So was steht nicht mitten im schicken World Financial Center herum. Außerdem sind die Dosen voll. Sie sind sozusagen das Eintrittsgeld (aber auf freiwilliger Basis) für “Canstruction”: Damit bauen Bau- und Architekturfirmen im Wettbewerb eine ganz spezielle Art von Türmen. Diese Konstruktion von HLW International zum Beispiel besteht aus 3.350 Dosen, von denen nach der Ausstellung 3.200 New Yorker satt werden. Schließlich arbeitet Canstruction mit City Harvest zusammen, einem New Yorker Programme zur Ernährung armer Menschen, vergleichbar mit der Tafel in Deutschland. Gilsanz Murray Steficek bauen auf Tunfisch – die…

Wenn die Muse fehlt

Plötzlich hängen diese Schilder in der Stadt herum. Auf Englisch. Und auf Spanisch. Ein Einhorn ist entlaufen, zuletzt wurde es am Eingang des Central Park an der 72nd Street gesehen. Es ist blau und lieb und weiblich. Einmal abgesehen vom Fabeltier sind solche Plakate hier ganz normal. Da werden Katzen vermisst und Hunde und Kinder und Erwachsene, manchmal brauchen sie dringend Medikamente oder sind nicht bei Verstand. Lustig ist das nicht. Ich will wissen, ob die Sache mit dem Einhorn ein Witz ist. Unter der angegebenen Telefonnummer geht ein Anrufbeantworter dran. Innerhalb von drei Tagen…

Moment mal: Schuh ohne Kuh

Erica and Sara Kubersky waren es leid. Sie mochten Tiere, aber Tierprodukte lehnten sie ab – und immer, wenn sie Schuhe kaufen gingen, wurde das zu einem Problem. Statt sich also wieder einmal die Hacken abzulaufen auf der Suche nach Fußkleidern, die in ihrem Vorleben nicht an einem Rind hingen, planten die beiden einen Laden mit der Auswahl, die ihnen fehlte. Den ersten New Yorker Laden mit ausschließlich veganen, also lederfreien Schuhen und Accessoires  eröffneten sie 2001. Das Geschäft zog zweimal um, bis es in der Orchard Street auf der Lower East Side landete. Ursprünglich…

Zum Schießen

Ich hatte das aus der Distanz gedacht. Und da kriegt er mich. Klar habe ich eine Ausstellung auf der Liste, die “How To Do Things With Words” heißt. Das kommt meiner Arbeit schließlich nahe. Ich nutze die Gelegenheit, um dort Wafaa Bilal zuzuhören. Er hält einen Vortrag darüber, wie Künstler zu Kriegszeiten reagieren. Ich denke, jetzt erzählt er etwas über Künstler in fremden Ländern. Aber das tut er nicht. Er präsentiert seine Projekte der letzten Jahre. Als erstes zeigt Wafaa Bilal Fotos und Videos von “Domestic Tension“, das auch als “Shoot An Iraqi” bekannt wurde:…