Zeichensprache

Unterwegs in El Barrio (Spanish Harlem, im Nordosten von Manhattan) komme ich an einem Juweliergeschäft vorbei. Das erinnert mich daran, dass ich seit gestern meine Armbanduhr in der Tasche trage. Die Verbindung von Armband und Uhr hatte sich gelöst. Kurzentschlossen betrete ich das Geschäft. Hinter dem Tresen steht eine Frau, die gerade etwas abtrocknet, das nach einer Lunchbox aussieht, vor mir steckt ein Mann sein Wechselgeld ein und wechselt mit der Frau spanische Worte, während hinter ihr ein Mann an einem kleinen Werktisch in sein Handy bölkt. Dann nimmt die Frau mich wahr und fragt…

Nadel ohne Heuhaufen

Sie sind ein merkwürdiges Gespann. Zwei Männer und eine Frau. Der eine Mann gibt den New York-Kenner, die Frau gibt sich unbeeindruckt, der andere Mann gibt gar nichts von sich. Ich glaube nicht, dass er das fünfte Rad am Wagen ist. Ich glaube auch nicht, dass einer von ihnen gerade versucht, bei der Frau zu landen. Vielleicht sind sie verwandt. Oder verheiratet. Manchmal lässt sich das schwerlich unterscheiden. Ich bemerke sie, als der Kennermann in meine Richtung zeigt und ruft: “Da ist der Obelisk!” Damit meint er nicht mich. Ich war gerade dabei, Krabben in…

Des Teufels rechte Hand

Sie ist gar nicht wirklich die rechte Hand des Teufels. Aber weil sie als Assistentin der Vogue-Chefredakteurin  gearbeitet hat, denken viele New Yorker, “Der Teufel trägt Prada” sei Lauren Weisbergers persönliche Abrechnung mit Anna Wintour gewesen. Diejenigen, die in anderen Städten im Mediengeschäft arbeiten, teilen diese Ansicht nicht unbedingt. Auf die Frage, ob sie manchmal Ärger mit Freunden, Kollegen oder Bekannten bekomme, die sich in einer Figur wiederzuerkennen glauben, sagt Lauren Weisberger: Sie habe 50 verschiedene Personen genannt bekommen, die offenbar genau auf die Hauptfigur in ihrem Debütroman passen. Aber jetzt geht es gar nicht…

Prost, Finanzkrise!

Neun Jahre lang hat Brad Estabrooke Wertpapiere verkauft und davon geträumt, damit so reich zu werden, dass er sich ein Weingut kaufen kann. Daraus ist nichts geworden. Und der Job im Finanzwesen ist seit Ende 2008 auch Geschichte. Jetzt schuftet Brad in einer Halle weit draußen in Brooklyn, die Rückenschmerzen kommen nicht vom Sitzen, sondern vom Wuchten. Und hinterher gibt es Schnaps. Schließlich soll der genau so schmecken, wie Brad es sich vorstellt. Er brennt hier – ganz legal – seinen eigenen Gin. Eins der Dinge, die ihm daran am besten gefallen: Nach einigen Tagen…

Einmanntheater

Auf dem Rückweg vom Klo fällt der Typ mir auf. Er hat den Oberkörper blank gezogen, zeigt seine Tätowierungen, der Schädel ist kurzrasiert, der Körper athletisch. Auf einer Hardcore-Punk-Show hätte er viele Freunde. Aber das hier ist keine Hardcore-Punk-Show. Eben habe ich The Whigs und den grandiosen Lee Fields gesehen, jetzt nutze ich die Pinkelpause, bevor The Black Keys auf die Bühne kommen. Ich weiche dem Typen großräumig aus, denn er verhält sich merkwürdig. Er reibt sich den Schädel, reißt den Mund auf, breitet die Arme aus – ich möchte nicht wissen, unter wessen Einfluss…

Hufe oder Rollen

Es ist gerade fünf durch, das National Museum of the American Indian hat geschlossen, und ich sitze hier unten auf der Bank. “I’ll take you somewhere you can sit”, hat der Wächter gesagt und mich mit einem Nicken durch eine Tür geschoben. Seine Kollegen haben geguckt und gefragt, was ich angestellt habe. Ich habe mich mit eben jenem Wächter verabredet. Er ist einer dieser New Yorker, über die ich Geschichten schreibe. Seine beginnt in einer Familie mit elf Kindern in einer Railroad-Unterkunft in Brooklyn. Aber die habe ich in diesem Moment ja noch nicht geschrieben….

Frauenfußball

Eine hat deutsche Vorfahren. Eine andere hat mal in Deutschland studiert. Wieder eine andere findet Philipp Lahm umwerfend (und kriegt sich nicht mehr ein, als ich ihr übersetze, was sein Name bedeutet). Eine hat Freunde in Deutschland. Eine hat immer gut zugehört, wenn Papa und Bruder über Fußball gesprochen haben, und ist überzeugt vom strategischen Denken der Deutschen. Die Leute hier haben die absonderlichsten Gründe, zu Deutschland zu halten. Eine andere Frau hat einen Sohn in Spanien (und spricht mit Akzent). All diese Frauen machen Lärm. Die Spanien-Stimme ruft “go, go, go” und “right there”,…