Literatur ohne Ende

T. C. Boyle steht halb hinter dem Regal und wippt auf den Zehen. Vorne steht eine strenge Frau, die ihn schließlich heranwinkt auf seinen Platz zwischen “Addicted/Recovery” und “Philosophy”. Das sind keine Schubladen, sondern Buchregale, und bei “Philosophy” bleibt eine Frau ungerührt stehen und sucht sich Lektüre aus, als T. C. Boyle schon zu erzählen beginnt. Von Adlern, wahlweise weißköpfig oder golden, und von Mini-Füchsen (“so groß wie Hauskatzen, normale Hauskatzen, also nicht Ihre fetten Katzen zu Hause”) und Mini-Schweinen und bodenbrütenden Vögelchen und Ratten (nicht mini) auf einigen der Channel Islands berichtet er, weil…

Freude unter Palmen

Es ist keine Tellerwäscher-Millionär-Geschichte. Viel besser. Paul Robeson war Footballspieler, Anwalt und Sänger. Der Sohn eines geflüchteten Sklaven setzte sich Zeit seines Lebens für soziale Gerechtigkeit ein – und zwar für jeden. Zum Beispiel sang er das jiddische Lied “Zog mit keynmol” (Lied vom Aufstand im Warschauer Ghetto von Hirsch Glik) bei einem Konzert 1949 in Moskau, um gegen die Verfolgung von Juden in der Sowjetunion zu protestieren. Und den walisischen Bergarbeitern, sang er deren Volkslied “All Through The Night” übers Telefon, als ihm 1957 das Reisen verboten war (McCarthy). Zu seinem Gedenken setzt die…

Tod und Teufel in Brooklyn

“Mach das noch mal!”, ruft die Frau Jesse zu. Der lächelt schon die ganze Zeit, was kein Wunder ist, weil O’Death im rappelvollen Bell House vor gutgelauntem Publikum spielen (oder weil er eben so ist). “Mach was noch mal?”, fragt er zurück. “Zieh dein T-Shirt aus!” “Sorry, ich weiß nicht, wie”, lächelt Jesse. Die Tattoos am Oberkörper zeigt der Bassist schließlich schon eine ganze Weile, sein nackter Bauch hängt über die Hose. Die Frau überlegt. Erst versucht sie es noch mal mit dem T-Shirt, und ich frage mich, ob sie vielleicht nicht mehr so ganz…

Mitleidloser Schneesturm

Kaum ist Catherine Gildiner eingetroffen, beklagt sie sich: “Die haben meinen Flug gestrichen – wegen Schnee. Wo soll der denn sein?” Ein Mann, der von Carole Pope kurz darauf ein sehr schön eingepacktes Geburtstagsgeschenk bekommt, versucht der Autorin die aktuelle Beziehung zwischen New York und Schnee zu erklären. Seit der Weihnachtssturm so ein Chaos angerichtet hat, sind die offiziellen Stellen nervös. Sie mussten sich kübelweise Kritik gefallen lassen, weil sie keine “snow emergency” ausgerufen und den Räumdienst vergeigt haben, und auch in der öffentlichen Anhörung machten sie keine gute Figur. Auch das Gerücht über eine…

Weihnachten bei Guggenheims

Ich muss nicht bezahlen, als ich hier wieder rauswill. Aber das habe ich mir auch schön erarbeitet. Erst mal bin ich überwältigt. Das Gefühl erwischt mich wie ein Elefant: größer und stärker als ich und verdammt hartnäckig. Dabei bin ich doch bloß zum öffentlichen Weihnachtskonzert im Guggenheim Museum gegangen. Ganz weit nach oben, um genau zu sein. Unterwegs komme ich an einer Frau in Rot vorbei und bleibe mit dem Blick an ihrem Rückenausschnitt hängen. Oh, denke ich erst, kommt man hier in Abendgarderobe? Dann wird mir gewahr: Sie ist eine der Sängerinnen. Das Vox…

Let them eat cake!

Wie all die kleinen Kulturinitiativen muss sich Dixon Place etwas einfallen lassen. Dessen Macher brauchen ein Programm, ein Publikum, das sich dafür interessiert, und ordentlich Penunzen. Dixon Place hat sich spezialisiert auf brandneue Stücke und auf “work in progress” – Bühnenautoren, Performancekünstler und so weiter haben hier die Chance, Entwürfe vor Publikum zu inszenieren. Ich sehe heute “Hollow” von Stephanie Dodd – genauer gesagt: dessen ersten Akt. Es soll einmal ein Zweiakter werden. Hinterher frage ich Stephanie, wie es denn weitergeht. Sie sagt, so einiges seien ja erst mal nur Ideen, sie wolle auch an…

Des Teufels rechte Hand

Sie ist gar nicht wirklich die rechte Hand des Teufels. Aber weil sie als Assistentin der Vogue-Chefredakteurin  gearbeitet hat, denken viele New Yorker, “Der Teufel trägt Prada” sei Lauren Weisbergers persönliche Abrechnung mit Anna Wintour gewesen. Diejenigen, die in anderen Städten im Mediengeschäft arbeiten, teilen diese Ansicht nicht unbedingt. Auf die Frage, ob sie manchmal Ärger mit Freunden, Kollegen oder Bekannten bekomme, die sich in einer Figur wiederzuerkennen glauben, sagt Lauren Weisberger: Sie habe 50 verschiedene Personen genannt bekommen, die offenbar genau auf die Hauptfigur in ihrem Debütroman passen. Aber jetzt geht es gar nicht…