Iren können irre marschieren

Vorher sind die Läden wochenlang voller Grünzeug. Grüne Damenhütchen mit Glitzerrand, blinkende Kleeblätter zum Anstecken, Schilder mit der Aufschrift “Kiss me, I’m Irish” und allerlei Hilfsmittel zum (Be-) Trinken. Und wenn der St. Patrick’s Day dann kommt, feiert New York ihn auch mehr als nur einen Tag lang. Aber heute, heute ist es wirklich überall grün. Der in Grün gehüllte Dominikaner von der Bude an der Ecke schaut meine Jacke an und fragt: “Bist du Irin?”, als ob uns das dann verbrüdern würde. Natürlich wirkt man irgendwie legitimer, wenn man mit leuchtend blauen Augen, Sommersprossen…

Tanzkampf

Sonst hört sich das anders an. Die New Yorker können sich gut selbst darstellen, sie erklären in einem Satz oder zweien, was sie tun oder anbieten. Ob sie nun Bio-Schokolade an Ort und Stelle herstellen oder als Non-Profit-Organisation den Hunger in der Großstadt bekämpfen: Die Botschaft läuft immer auf ein “Wir sind …” hinaus. Nur hier nicht. Als erstes erklären die Leute bei Park 51, was sie nicht sind. “Park 51 ist keine Moschee”, sagen sie. Denn das Haus, das nun wahrlich nicht aussieht wie etwas, worum man streiten wollte, hat mit einem Sturm der…

Krach für Drachen

Es mag ja ein wenig neblig sein in New York. Aber das hier ist kein Wetterphänomen. Das ist das sichtbare Gegenstück dessen, was ich höre. [audio:https://www.moment-newyork.de/wp-content/uploads/Firecrackers.mp3|titles=Firecrackers] Es ist nämlich schon wieder Neujahr, diesmal in Chinatown. Eigentlich hat das natürlich schon um Mitternacht angefangen, aber in New York ist Privatgeböller verboten (es brennt auch so schon viel zu oft). Also machen sie das in einer offiziellen Zeremonie mitten am Tag, an dessen Ende ich lerne: Man sieht Feuerwerk auch im Hellen. Jedenfalls, wenn genug Nebel drumherum ist. Die Chinesen haben das mit dem Feuerwerk genauso raus…

Die Stars von Spanish Harlem

Ich finde ja nicht, dass New York ein Schmelztiegel ist, und das finde ich auch gut so. Schließlich staune ich so gerne, und das passiert viel öfter, wenn Lebensstil und Kultur an jeder Ecke anders ausfallen. In den dicht gedrängten Parallelgesellschaften habe ich etwas entdeckt, das mich an Deutschland erinnert: Heute hatten so manche Kinder ihre blankgeputzten Schuhe in der Hoffnung aufgestellt, am Morgen Geschenke darin zu finden. Das habe ich früher zu Nikolaus gemacht, hier machen es viele hispanische Gemeinden am Dreikönigstag. Und in East Harlem (auch: Spanish Harlem oder El Barrio) halten sie…

Babylon-Optik

In den meinungsstarken, inhaltsarmen Fernsehnachrichten taucht das Thema immer wieder auf: In manchen Gegenden New Yorks schreiben die Einwohner einfach in der Sprache, die sie verstehen. An ihren Geschäften stehen dann Dinge, die die Außenreporter nicht entziffern können. Das prangern sie an, und dann finden sie Leute, die in die Kamera sagen, es solle ein Gesetz geben, das englischsprachige Werbung vorschreibt. Manchmal dürfen ein paar Ladenbesitzer dann darüber klagen, wie viel Geld es sie kosten würde, die ganze Werbung neu machen zu lassen. Aber das Thema kommt jedes Mal wie ein Riesenskandal rüber. Als gäbe…

Die Jerusalem-Odessa-Connection

Ich lande hier immer in demselben Laden. Dabei gibt es in meiner Fantasie hier irgendwo ein Café, in dem betagte, beringte Damen Torte essen, Tee aus dem Samowar schlürfen und zwischendurch einen Wodka kippen. Nur finde ich ihn nicht. Also gehe ich mal wieder in den Feinkostladen, in dessen oberer Etage die Torten auf mich warten und ein paar Tische stehen. Da sitze ich, trinke starken russischen Tee und esse italienischen Kuchen dazu und verfolge auf dem Fernseher einen Technicolor-Film mit zickigen Damen und einem lustigen Musikanten, den ich auch ohne Sprachkenntnisse verstehe. Die anderen…

Die paar tausend Jahre!

Es gibt ja Leute, die ihr ganzes Dasein auf eine sehr ferne Zukunft ausrichten – jetzt leiden, später ernten oder so. Aber so ist das hier gar nicht gemeint. Nach jüdischer Zeitrechnung sind wir bereits 3760 Jahre weiter als gedacht. Trotzdem kommen die Wünsche an dieser New Yorker Synagoge etwas früh. Rosh Hashana beginnt doch erst am Donnerstag. Andererseits: In diesem Dimensionen kommt es auf ein paar Tage ja auch nicht mehr an.