Anschluss verpasst

Da begegnen sich zwei Menschen, verpassen irgendwie den Moment, wo sie etwas sagen oder eine Telefonnummer rüberschieben könnten, und dann ärgern sie sich (oder zumindest einer von ihnen). Manche geben später eine Suchanzeige auf. In Deutschland heißt die Rubrik “Wiedersehen” oder so. In New York läuft das unter “Missed Connections”. Das passt: So viele dieser Begegnungen finden in öffentlichen Verkehrsmitteln statt, dass eine Linie, der L-Train, sogar einen eigenen Twitterkanal hat, in dem entsprechende Suchanzeigen ausgelesen werden (Almost on the L). So ist es eigentlich kein Wunder, dass das New York Transit Museum daraus PR-Kapital…

Kleidertausch

Die Kinder tragen ganz schön großes Spielzeug vor sich her. “Da habt ihr ja was Schönes gefunden”, sage ich. “Nee”, sagt einer der beiden Jungs, “das ist unseres.” Da unten, wo wir herkommen, haben sie nur kaputtes Spielzeug gesehen. Also haben sie ihr eigenes wieder mitgenommen. Ich sage ihnen, dass ich vorhin auf dem Büchertisch aber wenigstens Comics und Kinderbücher gesehen habe. Schwer zu sagen, ob ihnen so etwas gefällt. Unten in der Schule ist ein Swap: Dazu gedacht, dass nicht immer alles weggeschmissen, sondern wiederverwendet wird, kann man da Kleider, Bücher, CDs, Filme, Spielzeug,…

Wo Träume wahr werden

Beim ersten Mal dachte ich, das waren Kinder. Die ganze Straße war abgesperrt, und sie hatten Kreide verteilt, mit der die Kinder malen sollten. Ein paar Erwachsene taten das auch. Ich konnte doch nicht ahnen, dass einer von ihnen so was die ganze Zeit macht. Oder jemand den Mann kopiert, der überall in New York seine Botschaft hinterlässt. James de la Vega weiß, was er sagen will. Dass man seine Nachrichten in Manhattan kennt, liegt aber nicht etwa an großen, spektakulären Präsentationen; Kreide wäscht beim nächsten Schauer ab, Pappschilder machen es nicht viel länger, und…

Hase und Igel in Chinatown

Donnerstag hat schon wieder ein neues Jahr angefangen – diesmal nach chinesischer Rechnung. Da ist jedes Jahr einem Tier zugeordnet, dieses gehört dem Hasen, und in New York machen sie heute eine Neujahrsparade. Für mich gerät sie zu einem absurden Rennen. Dieser Hase ist das erste, was ich von der Parade sehe. Und er begegnet mir immer wieder. Während ich im Zickzack Menschenmengen umgehe und vermeintliche Abkürzungen nehme, ist dieser Wagen immer da, wo ich wieder zur Parade stoße. Aber auf meinen Umwegen begegne ich einem Kollegen von ihm. Die North Shore Animal League nutzt…

Auto ohne mobil

Ich habe schon immer den Kopf geschüttelt über Leute, die ohne vernünftigen Grund (zum Beispiel: Auftritte mit einem Schlagzeug) in New York unbedingt ein Auto haben wollen. Jetzt gehe ich einen kleinen Hügel namens Carnegie Hill hinauf und denke mir: Recht so. Für Fußgänger ist die Bahn frei.

Beef Sticks oder Bronx

Die kleinste von ihnen hat ganz viele Zöpfe, die wie kohlengestäubte Wattebäusche an ihrem Kopf kleben. Sie versucht umständlich, einen Tritthocker zurechtzuschieben und sich draufzusetzen. Eine ihrer Bewegungen sehe ich aus dem Augenwinkel, ich schaue auf, und schon finde ich mich in einem Peekaboo-Spielchen wieder (ich glaube, auf Deutsch heißt das “Kuckuck”). “Sie versucht immer, mit den Leuten zu spielen, weil sie Geld haben will”, sagt das größere Mädchen. Sie sind zu viert, die Kleine steht immer noch unter dem Tisch und sucht meinen Blick, die anderen stehen auf einmal alle vor mir. Aus meiner…

Happy Birthday

Heute ist Martin Luther King Day. Es ist Feiertag; aber erst zum elften Mal in allen 50 Bundesstaaten. Angeblich hat ein Stück Popkultur dazu beigetragen, die Petition für die Einführung dieses Feiertags zur größten in der Landesgeschichte zu machen: Stevie Wonders Song “Happy Birthday”. Martin Luther Kings Geburtstag war schon vorgestern, aber der Feiertag zu Ehren des ermordeten Bürgerrechtlers findet immer am dritten Montag im Januar statt. In so mancher Rede heute kommt der Schütze von Tucson vor. Und der Ruf nach “gun control”. Friedensnobelpreis hin oder her: Ich frage mich, wie weit die Bewegung…