Mit Puppenaugen

Ich biege um die Kurve und denke kurz, dass sich ein Außerirdischer in die Büsche geschlagen hat. Es ist tatsächlich ein Lebewesen, aber irdischen Ursprungs. Auf Deutsch heißt es Christophskraut, aber das weiß ich noch nicht, als ich es erblicke. Hier erfahre ich, dass es Doll’s Eye (Puppenauge) genannt wird, und das erscheint mir passend. Kurz zuvor hatte ich eine ähnliche Begegnung: So etwas findet sich in dem einen oder anderen Gemüseladen hier. Vor allem die Asiaten wissen, was damit zu tun ist. Ich habe noch nicht versucht, Bitter Gourd (Bittermelone) zu kochen. Und hier…

Aufschwung

Fett oder fit. So könnte man New Yorker grob (ganz, ganz grob) einteilen. Viele gehen laufen. Dafür gibt es schöne Strecken, am Wasser entlang oder durch den Wald. Aber oft genug sehe ich, wie stoisch man auch durch die Straßen traben kann – oder auf einer Brücke. Tiefe Atemzüge vom vierspurigem Stau sparen vielleicht die Zigarette danach. Mindestens ebenso viele gehen in den Gym, also in den Fitnessclub oder, wenn sie entsprechend schick wohnen, in den hauseigenen Gymnastikraum. Der letzte Schrei ist eine Variante des Spinning (rasend schnell radeln, ohne voranzukommen) kombiniert mit Therabändern, an…

Piraten auf Rädern

Auf Governors Island hängen merkwürdige Zeichen. Mehrere Kunst-Veranstaltungen laufen hier heute parallel. Aber damit haben die Zeichen nichts zu tun. Eine der Hauptpersonen treffe ich auf der Fähre. Sie hat sich hübsch in ihr Gefährt drapiert. Und ihr Vater macht das Ganze würdevoll mit. Ein paar Stunden später ist dieser Teil der Gesellschaft wieder in Manhattan. Chris und Allie haben nicht einfach nur geheiratet. Erstens stehen sie so sehr auf Fahrräder, dass auch die Gäste mit entsprechenden Fahrzeugen erscheinen beziehungsweise welche vom Fahrradverleih bekommen. Und alle zusammen drehen nach der Zeremonie eine Ehrenrunde um die…

Mein wunderbarer Waschsalon?

Amerikanische Waschmaschinen laufen anders. Das Wasser wird meist nicht so heiß wie in Deutschland, und damit Bakterien und Flecken die Wäsche nicht überleben, steht Chlorbleiche im Supermarkt gleich neben dem Waschmittel. Über die Wasch- und Schleuderkraft deutscher Ingenieurskunst können die hiesigen Hausfrauen nur staunen. Trotzdem gibt es offenbar Leute, die hinter den Maschinen im Waschsalon Wunderkräfte vermuten. Ich frage mich, aus welchem Grund man wohl einen Schirm waschen möchte. Oder gleich eine ganze Reihe davon.

Licht-Türme

Jemand hat mir geschrieben, morgen komme die Stadt doch sicherlich einem Ausnahmezustand gleich. Und ich sei da sicherlich den ganzen Tag unterwegs. Nun: Erstens beliefere ich keine Nachrichtenagenturen, muss also kein Material von den Gedenkfeiern zum 11. September anschleppen. Und zweitens passieren die spannenden Dinge in New York oft am Rand. Heute zum Beispiel. Die Antennen der Ü-Wagen überragen sich jetzt schon gegenseitig. Sie sind trotzdem ein Fliegenschiss gegen die beiden Lichtstrahlen, die die Lücke symbolisieren sollen, in der einmal die World Trade Center-Türme die Skyline ausfüllten (die allerdings nicht aus deren Fundamenten strahlen). Die…

New York Dust

Mein Experiment ist gelungen. Aber mein Wissensdurst ist nicht gestillt. Seit langer Zeit habe ich den Eindruck, der Hausstaub in New York sei anders beschaffen als der, den ich aus Bochum gewohnt war. Dabei geht es nicht um die Menge. Sondern um die Farbe. Ich dachte immer, Staub sei von Natur aus grau. Um zu prüfen, ob der New Yorker Staub eine andere Farbe hat, habe ich zu einem ziemlich albernen Trick gegriffen: Wochenlang trug ich beim Bürofegen Stoffschlappen mit kleinen Gummistoppern als Sohle. Da fängt sich Staub. Und wenn man die Sohlen später gegeneinander…

Keine Kunst

Ich weiß nicht, was passiert ist. Eigentlich sollte es schon im Juni fertig sein. Aber als ich jetzt nach Red Hook fahre, um mir das Ergebnis anzuschauen, hängt an dem leerstehenden Bau schwarzes Netz neben bröckelnder Verzierung. Oder habe ich die Häuser verwechselt? Als in Red Hook noch das Hafengeschäft florierte, war die New York Dock Company in riesigen Zwillingsgebäuden untergebracht. Ihr gehörte ein großer Teil der Gebäude am Hafen in Brooklyn. Jetzt will das Auktionshaus Christie’s hier Kunstwerke lagern – und obwohl es als Speicher konstruiert ist, braucht das Haus Klimakontrolle und moderne Sicherheitstechnik…