Gowanus Canal in New York

 

Bei diesem Blick den Gowanus Canal hinunter wirkt New York auch heute noch wie New Amsterdam. Hausboote liegen hier allerdings nicht. Aus gutem Grund: Alles rund um dieses Wasser ist verseucht. Lange, lange Zeit hat die Industrie drumherum, die sich sehr früh in dieser Gegend und am praktischen Kanal ansiedelte, so ziemlich alles, was übrig war, einfach ins Wasser abgelassen.

Schwarze Mayonnaise am Grund des Gowanus Canals

Deshalb fasziniert der Gowanus Kanal Wissenschaftler. Da kursiert die Vermutung, in den teils meterdicken Ablagerungen könne man ganz neue Bakterienarten finden, möglicherweise auch bis dato unbekannte chemische Verbindungen. Wie ich in einem anderen Beitrag über den Gowanus-Kanal einmal erklärte: Black Mayonnaise, also schwarze Mayonnaise, heißt das Zeug seiner Konsistenz wegen.

 

Bötchen auf dem Gowanus

 

Wer sucht sich denn einen solchen Platz aus, um ein ferngesteuertes Bötchen schwimmen zu lassen? Na, die klugen Menschen von Brooklyn Atlantis! Mit ferngesteuerten Booten, auf die wasserdichte Kameras und Sensoren montiert sind, erforschen sie den Kanal – und messen zum Beispiel dessen Temperatur, pH-Wert und Sauerstoffsättigung.

City of Water Day – auch am Gowanus

Diese Umweltforschung demonstrieren sie heute mit Computern, auf die die Werte direkt übertragen werden, anlässlich des City of Water Day: Einmal im Jahr feiert New York City sein Inseldasein mit allerlei Aktivitäten. Und ich habe mich heute dafür entschieden, fernab der großen Veranstaltungen (schon mal mit einem alten Feuerwehrboot herumgetuckert?) an den Gowanus zu ziehen. Da sind aber nicht nur die Wissenschaftler.

 

Kanu fahren im Giftwasser?

 

Tja, die coolste Superfund Site von Brooklyn betrachten die Gowanus Dredgers als ihr Zuhause. Sie wollen auf die Probleme des New Yorker Hafens aufmerksam und die Küsten der Stadt für alle zugänglich machen – und zwar gerne mal, indem sie zu Freizeitaktivitäten auf dem Wasser einladen.

 

Am Steg der Gowanus Dredgers

 

So darf man heute auch in eins der Club-Kanus steigen und durch den Gowanus Kanal paddeln. Nur erfahrene Kanuten dürfen ins Boot, eine Schwimmweste müssen sie auch anlegen, aber sonst nichts. Das kostet nichts, aber die Paddler könnten mal gebeten werden zu helfen, wenn eins der ferngesteuerten Boote festhängt.

Mit der Hand ins Giftwasser greifen?

Das passiert nicht, als ich dort am Ufer stehe. Aber etwas anderes. Eine Kamera schwimmt auf einmal im Wasser, und da gerade eine Frau und ein Mädchen mit einem Kanu gestartet sind, ruft jemand ihnen zu: “Könnt ihr uns die da rausfischen? Wir haben auch Desinfektionsmittel.”

Das mit dem Desinfektionsmittel ist ein bisschen dick aufgetragen, weil mir kein besserer Begriff für die Übersetzung einfällt. “Hand sanitizer” gibt es in New York in jeder Drogerie, sogar mit einer Vorrichtung zum Aufhängen, so dass man die Fläschchen an vielen Taschen baumeln sieht. In einer dreckigen Stadt mit Vorliebe für Fastfood muss sich so etwas ja entwickeln. Statt Händewaschen nimmt man dann eben diese Desinfektionsflüssigkeit zwischen U-Bahn-Griff- und Burger-Anfassen.

 

Boote auf dem Gowanus Canal

 

Die Damen im Kanu schauen dennoch angesichts der Bitte nicht begeistert, aber ihre Versuche scheitern, das Ding mit einem Paddel zu erwischen. Die ältere greift schließlich zu, lässt die Kamera sofort auf den Boden des Kanus plumpsen und erntet Applaus. Ich hätte nie im Leben ins Wasser gegriffen, ich hab hier schon einen Wissenschaftler im kompletten Gefahrenanzug reingehen sehen, inklusive mehrerer Paar Handschuhe, und das auch nur für ganz kurz.

Stattdessen hätte ich das gewünschte Objekt mit dem Paddel nahe genug ans Ufer geschoben, so dass die Kameraleute es selbst herausfischen können. Denke ich mir so. Wer weiß, ob ich in dem Moment auch drauf gekommen wäre. Interessant bleibt aber: Der verseuchte Kanal zieht Menschen an, die hier ganz normalen Freizeitvergnügen nachgehen wollen.

Umweltschmutz-Tourismus in New York!

Der Gowanus Canal zählt seit 2010 zu den Superfund Sites: Die Umweltbehörden kennzeichnen damit schwer umweltverschmutzte Gebiete, die langfristig gesäubert werden sollen. Oft müssen sie dazu erst einmal erforschen, wie das eigentlich gehen soll. Bisher haben die Säuberungsarbeiten noch nicht einmal begonnen.

Aber es gibt inzwischen eine ganz besondere Karte für Touristen: die Superfund Tourism Map. Dagegen kann Ghetto-Tourismus nicht anstinken.

 

Touristenkarte für den Gowanus

 

Wer auf den Spuren der Umweltverschmutzung in New York wandeln mag: Hier gibt es die Superfund Tourism Map auch online.