An diesem Strand in Brooklyn geht niemand baden. Er gehört den Flaschensammlern – allerdings sind sie auf mehr als nur Flaschenpfand aus. Die Dead Horse Bay ist bekannt dafür, dass man dort Glas finden kann, das locker hundert Jahre alt ist. Auf den Flohmärkten der Stadt und in manchen Antikläden findet man diese Apotheker- und Schnapsflaschen in altmodischen Formen.

Dass die Dead Horse Bay an manchen Tagen vor lauter Glas nur so glitzert, hat seine Wurzeln im Großstadtmüll. Zwar sind die heutigen Müllmengen noch viel größer als vor 150 Jahren, doch auch schon damals suchte New York händeringend nach Platz für den ganzen Abfall. Und einer dieser Plätze war ganz in der Nähe dieser Uferlinie.

Müllverwertung vor 150 Jahren

Damals ist dieser Teil von Brooklyn noch eine Insel namens Barren Island. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 1920er Jahre sitzen rund um die Bucht Abdecker, Fischölproduzenten und andere Müllverwerter – für lange Zeit ist Barren Island die größte Müllverwertungsanlage der Welt.

Und ehe das Automobil die Kutschfahrt ablöst, muss man ja irgendwohin mit all den toten Pferden – sie landen hier. Ihre Überreste werden zunächst unter anderem zu Klebstoff, Dünger und Öl verarbeitet, und dem Vernehmen nach soll die ganze Gegend fürchterlich gestunken haben. Das führt letztlich zum Ende dieser Müll-Ära: Bewohner anderer Stadtteile wehren sich erfolgreich dagegen, dass der Wind den Gestank in ihre Gegend weht. Nach einem langwierigen Rechtsstreit wird Barren Island geschlossen.

Woher der Name Dead Horse Bay kommt

Vorher kommen die ausgekochten, zerhackten Tierknochen ins Wasser, ebenso wie die Überreste aus allen anderen Müllanlagen der Gegend. Zu dieser Zeit gilt das Meer als prima Restmüllkippe. Daher stammt der Name Dead Horse Bay.

Auch für die Schönheit der Salzmarschen rundherum, die heute ein Naturschutzgebiet sind – bis direkt an den Flughafen JKF! – haben die New Yorker wenig Sinn. Sie schütten jede Menge Sand, Kohle und Müll auf, um Floyd Bennett Field, den ersten New Yorker Flughafen zu bauen. Barren Island ist jetzt mit Brooklyn verbunden.

Stadtplaner Robert Moses sieht in den 50er Jahren in der Gegend eine Chance auf ein schickes Parkgelände, dafür braucht es nur weniger Wasser und mehr Land. Der Park wird nie gebaut, doch sein Ziel erreicht Moses durchaus: Was ihm nicht gefällt, verschwindet.

Häuser samt Inhalt als Füllmaterial

Ihm sind die Wohngegenden der armen Leute in Brooklyn ein Dorn im Auge. Dort will er neue Straßen bauen, für die automobile Zukunft! Die “Slums” lässt er einfach planieren, und den gesamten Schutt – inklusive Geschirr, Nagellackfläschchen, Schuhen, Batterien, Arznei, Kinderspielzeug – karren LKW als Füllmaterial in die Dead Horse Bay.

Bald ist diese Spezialmüllkippe voll, sie wird geschlossen und versiegelt – allerdings nur mit Mutterboden. 1950 bricht diese Deponieabdeckung, und seither spülen immer wieder alte Sachen ins Meer und an den Strand der Dead Horse Bay.

New York hat viele Altlastenprobleme und stark verschmutzte Gegenden. Aber nur diese zieht Leute an, die wie Schatzsucher auf die Jagd gehen. In der Dead Horse Bay kann man nur mit festem Schuhwerk und dicken Sohlen herumlaufen. Mit jedem Schritt tritt man auf ein Stück Stadtgeschichte – mal fünfzig, mal hundert Jahre alt. Pferdeknochen spülen übrigens auch immer noch an den Strand – allerdings nur in knapp drei Zentimeter großen Stücken.

Die Bucht, der Ministrand und das Marschland um Dead Horse Bay herum gehören heute zum Gateway National Recreation Area. Wie in allen solchen Geländen ist es verboten, etwas mitzunehmen.