Der Doris C. Freedman Plaza sieht für die nächsten Monate so aus, als hätte wer mit einer Zeitmaschine herumgespielt und dann eine Bruchlandung vor dem Eingang zum Central Park gemacht. So ungefähr war das auch. Wir wissen sogar, wer das war: Liz Glynn.

Liz Glynn Open House

Verzierte Stühlchen vor torbogengroßen Fenstern, prunkvolle Sofas zum Reifrockdrapieren und zierliche Schemel für zertanzte Füßchen: Sowas musste schon auffahren können, wer zur vorletzten Jahrhundertwende in New York einen Ball geben wollte. Jedenfalls einen, über den sich hinterher niemand das Maul zerriss. Und das ging schnell.

Für die Damen der New Yorker High Society war zu dieser Zeit nun einmal keine andere Beschäftigung vorgesehen als Gesellschaftliches; und wer nichts Sinnvolles zu tun hat, verlegt sich zum Beispiel aufs Tratschen, natürlich in gehobener Form. Mit behandschuhten Fingern am Opernglas wird registriert, wer was trägt, wer den obligatorischen Opernfreitag verpasst hat – und wer seine Loge verlässt, noch ehe Mrs. Astor geht. Das war gesellschaftlicher Selbstmord.

Da wird nicht gekreischt oder an Haaren gezogen; ein kaltes Lächeln und der warme Deckmantel Besorgnis erledigen das schon. Dann wird das Personal angewiesen zu sagen, Madam empfange leider nicht. Zack, Tür zu, unten durch, nicht mehr eingeladen und erst recht nichts mehr zu tun.

Die New Yorker High Society gestern und heute

So viel anders ist das heute nicht. Die Mode hat sich geändert, für die Möbel, für die Kleider, für die Umgangsformen. Zum Entsetzen der alten Garde hat es offenbar keine gesellschaftlichen Konsequenzen, wenn jemand in der Öffentlichkeit wie ein Teenager fläzt (zum Beispiel während eines Empfangs im Weißen Haus).

Trotzdem trifft sich die New Yorker Elite weiterhin hinter Türen, die Normalsterblichen verschlossen bleiben. Selbst kreditkartenknatternde Emporkömmlinge blitzen ab. Die erfahren nicht einmal, wen sie fragen müssten, um Einlass in einen der Traditionsclubs der Stadt zu bekommen. Aber das Unerreichbare ist so viel greifbarer geworden.

Ballsaal landet im Central Park

Stellt da doch zum Beispiel die Künstlerin Liz Glynn einen Ballsaal für alle aufs Parkett – Pardon: aufs Trottoir. Am Eingang des Central Parks, in Sichtweite des Plaza Hotels (das auch nicht mehr ist, was es einmal war), hat sie die eingangs erwähnten Sofas, Stühlchen und Paneelrahmen aufgestellt. Aus Beton gegossen, aber trotzdem unheimlich gut dem nachempfunden, was vor gut hundert Jahren einmal im größten Ballsaal der Stadt stand.

Prunk, Protz und … ein kackfarbener Strich durch die Rechnung

Und diese Demokratisierung macht doch dem ganzen Prunk und Protz einen kackfarbenen Strich durch die Rechnung. Buchstäblich. Die Künstlerin hat das Ganze “Open House” genannt und sich gedacht, dass das Exklusive aus dem Heim eines One Percenters jetzt mal für alle da ist. Und es kommen auch alle.

Touristen.

Tourguides.

Und Tauben.

Protz, Prunk und Taubenkacke

Dabei war das doch alles mal so schön. Inspiration für diese Betonkunst zum Draufsetzen ist der Ballsaal einer Villa, die an der Ecke Fifth Avenue und 63rd Street stand und vor 75 Jahren abgerissen wurde. Dieser Ballsaal (und natürlich der Rest des Hauses) gehörte um die vorletzte Jahrhundertwende William C. Whitney.

Der größte Ballsaal von New York

Er richtete den Ballsaal mit französischen Barockmöbeln ein, umrahmt von vergoldeten Eichenpaneelen, die aus einem Schloss in der Nähe von Bordeaux stammten. Die Musik des Orchesters wehte von einem extra dafür gebauten Balkon über die mehr als 260 Quadratmeter von Whitneys Ballsaal. (Tolle Fotos von Whitneys Villa gibt es im Blog The Gilded Age Era)

Dieser Saal war der größte seiner Art in New York, ehe Frau Astor als Society-Oberhaupt umgezogen war und einen noch größeren Raum für ihren legendären Januar-Ball dekorierte.

Liz Glynn Beton Ballsaal New York

Doch ein Schatten lag über dem Abend des 4. Januar 1901, an dem William C. Whitney zur Ballsaal-Einweihung seine Nichte vor 700 geladenen Gästen in die Gesellschaft einführte. Der Politiker und Rennstall-Investor hatte das Haus an der Fifth Avenue für seine zweite Frau Sybil gekauft und umfangreiche Umbauten begonnen – den Ballsaal etwa gab es in dem Haus vorher gar nicht.

Doch die Dame des Hauses verunglückte beim Reiten – und starb im Mai 1899 an den Folgen des Unfalls. Whitney vergrub sich danach bis ins Detail in den Umbau des Hauses. Er starb wenige Jahre nach dem rauschenden Fest in der Villa ohne Hausherrin.

Hund auf Sofa Liz Glynn Installation New York

Open House” von Liz Glynn ist bis zum 24.9.2017 auf dem Doris C. Freedman Plaza (59th Street Ecke Fifth Avenue) zu sehen.