Ihr geht mit eurer Laterne, ich fahr ein Stück den Hudson hoch … zu jeder Menge Laternen. Ungefähr eine Stunde von Grand Central entfernt, nahe der Metro North-Haltestelle Croton-Harmon (in eben jenem kleinen Ort im Hudson Valley) findet nämlich von Ende September bis Thanksgiving (Ende November) der Great Jack O’Lantern Blaze statt. Tausende Kürbisse in ganz unterschiedlichen Formationen leuchten dort jeden Abend auf dem Anwesen des historischen Landguts Van Cortland Manor.

Direkt zum Eröffnungstag hatte ich die Gelegenheit, mir die geschnitzten und mal von Kerzen, mal von LED beleuchteten Kürbisse näher anzuschauen. Ich dachte, da sei noch nicht viel los, es war ja sogar noch gar nicht richtig dunkel. Aber weit gefehlt. Die Veranstaltung war ausverkauft, und bald war mir klar, warum die Eintrittskarten dafür jeweils für eine festgesetzte Uhrzeit gelten. Das Spektakel stellt den Rattenfänger von Hameln in den Schatten: Kinder zieht es magisch an, und die haben ihre Eltern im Schlepptau. Oder umgekehrt?

Da mich Massenveranstaltungen nicht anziehen, war ich skeptisch. Doch dann sah ich die Kürbisse. Und die Schnitzkunst. Ein Karussell aus Kürbissen dreht seine Runden, ein Einhorn strahlt wie vom Blitz erleuchtet, Kürbisgeruch steigt frech in meine Nase und weigert sich, sie wieder zu verlassen. Als sich der mit Seilen markierte Weg durch die vielen Kürbisskulpturen des Great Jack O’Lantern Blaze mehr und mehr füllt und manchmal auch verstopft, finde ich es sogar praktisch, auf dem geschlungenen Weg ab und an im Stau zu stehen. Denn nicht nur der lange Zirkuszug als Ganzes ist sehenswert, sondern auch die vielen Details.

Selbst mitten in New York City hatte ich schon Kürbis-Wettbewerbe gesehen, bei denen kreative Menschen weit von den bekannten drei bis vier Löchern (Augen, Mund, vielleicht noch Nase) abwichen und sich für den Halloween Pumpkin Contest etwas einfallen lassen. Doch der Great Jack O’Lantern Blaze stellt das, was ich da bewunderte, locker in den Schatten. Mehr als tausend ehrenamtliche Helfer haben rund 7.000 Kürbisse geschnitzt und zu Figuren zusammengebaut – zum Beispiel eine fast acht Meter hohe Freiheitsstatue aus 114 individuell geschnitzten Kürbissen.

Great Jack O'Lantern Blaze 2018 Freiheitsstatue

Andere haben ganze Wiesen mit Kürbisschnitzerei dekoriert, bis sich ein Gesamtbild ergibt. Beim Sonnenblumenfeld zum Beispiel mochte ich nicht entscheiden, ob der schaurig-schöne Anblick mehr ins eine oder ins andere Extrem fällt. Über die Spinnenwiese dagegen weht immer wieder (künstlicher) Nebel, das ist doch wohl eindeutig unheimlich, oder?

Fabelwesen wie Einhorn und Riesenseeschlange, Bewegtes wie Karussell und Windmühle, örtliche Sehenswürdigkeiten wie Freiheitsstatue und Tappan Zee Bridge, Dinosaurierherde oder Spinnennetz, Kürbisplanetarium, Emoji-Gesichter oder kleine Eulen: Alle Kürbisse, egal ob einzeln oder als Teil einer Figur, haben eines gemeinsam. Sie beeindrucken. Einige Regale voller Kürbisse mit kunstvollen Mustern zeigen obendrein verschiedene Schnitztechniken aus der Nähe.

Die Idee, Gemüse auszuhöhlen und dann Fratzen hineinzuschnitzen, stammt aus dem keltischen Sprachraum des 17. Jahrhunderts. Rüben mit grässlichen Fratzen, beleuchtet von einem Stück Kohle, einem Holzspan oder einer Kerze, sollten in der dunklen Jahreszeit böse Geister vertreiben. Christen in Regionen wie Irland legten diese Tradition auf einen ganz bestimmten Tag: den Abend vor Allerheiligen, der auf Englisch All Saints Day heißt – oder All Hallows’ Day. Damit war der All Hallows’ Eve geboren, aus dem Halloween entstand.

Irische Einwanderer brachten die Tradition nach Amerika mit, fanden dort allerdings kaum Rüben – und stellten bald fest, dass sich die im Herbst reifen einheimischen Kürbisse sogar besser schnitzen lassen als die Rüben aus dem ollen Europa. Warum die leuchtenden Kürbisfratzen Jack O’Lantern heißen, darüber streiten sich die Gelehrten bis heute. Schön gruselig sind dabei die Legenden um einen fiesen alten Trinker namens Stingy Jack, der dem Teufel allerlei Streiche spielt, was ihn zwar vor der Hölle bewahrt, aber fortan als ruhelose Seele durch die Gegend ziehen lässt – mit einer ausgehöhlten, beleuchteten Rübe als Laterne.

Jenen Jack habe ich beim Great Jack O’Lantern Blaze nicht entdeckt (vielleicht hat er mir aber nur einen Streich gespielt), aber eine amerikanische Legende hat ihren Platz bei der Veranstaltung: der kopflose Reiter von Sleepy Hollow, das nur ein paar Dörfer weiter im Hudson Valley liegt.

Wenn ihr von New York City aus einen Ausflug zu den Kürbissen machen wollt: Mit dem Zug von Grand Central seid ihr in ca. einer Stunde in Croton-Harmon. Von dem kleinen Bahnhof mit dem riesigen Pendlerparkplatz aus ist Van Cortland Manor zu Fuß zu erreichen, man muss allerdings eine stark befahrene Straße überqueren. Da erweist sich die Beliebtheit dieser Halloween-Vorfreude-Abende als großer Vorteil: AutofahrerInnen auf dem Weg dorthin verursachen bald nach Einbruch der Dunkelheit Stau, der den Fußweg vereinfacht.

The Great Jack O’Lantern Blaze, bis 24. November 2018, jeweils ab 19 Uhr, unbedingt vorab online reservieren (schnell ausverkauft!), Details und Termine auf der Website.