Der Mensch ist ein soziales Wesen. Doch wenn man es recht bedenkt, hat menschliche Gesellschaft vor allem eine Eigenschaft: Sie nervt. Das müssen sich die Erfinder von Eatsa gedacht haben. Dort braucht niemand mit der Bedienung zu sprechen; es ist noch nicht einmal eine zu sehen.

Auf der Speisekarte hingegen gibt es jede Menge zu sehen, von Bildchen bis Nährwertangaben. Und eines ist schon mal klar: Es gibt Quinoa, Baby. Diverse vegetarische Gerichte ranken sich um das Lieblingspseudogetreide der Gesundheitsgemeinde, passend dazu laufen auf einem großen Bildschirm unter der Decke Filmchen. Gesund aussehendes Essen mit schicken Worten wie “crisp”, “bold” oder “bring it” wechseln mit Time Lapse-Szenen hektischer Städte. Wer hier überleben will, muss Leistung bringen, also gesund essen – aber schnell.

Ist Eatsa ein Roboter-Restaurant?

Eatsa

Zum Bestellen kommt weder jemand an den Tisch noch muss man dazu in einer Schlange an einen Tresen vorrücken. Stattdessen zückt man das Telefon (und eine entsprechende App) oder stellt sich an eine der Tablet-bestückten Säulen. Kreditkarte durchziehen und noch rasch persönliche Daten verschenken – ohne E-Mail-Adresse geht es nicht weiter.

Doch dann erscheint die Speisekarte mit Vorschlägen für Quinoa-Bowls. Die Zutaten kann man auch nach Herzenslust selbst zusammenstellen. Bei Eatsa ist Personalize das neue DIY. Und das Essen ist irre schnell fertig.

Eatsa Automaten Restaurant New York

Aus dieser Fächer-Wand kommt das Essen. Oben links leuchten die Namen der Leute auf, die gerade warten (diese Information zieht sich das System von der Kreditkarte, und es merkt sie sich auch – beim nächsten Besuch fragt es, ob man wieder dasselbe essen möchte wie beim letzten Mal). Dann kommt eine Nummer dazu – wie beim Amt, denke ich kurz. Und dann gehe ich zu dem Fach mit der angezeigten Nummer.

Dessen Fenster entpuppt sich als Touchscreen, auf den ich doppelklopfen muss. Das Tor öffnet sich.

Essen aus dem High Tech-Fach bei Eatsa

Schnell, gesund – und asozial?

Dieses Restaurant spart sich die Kellnerinnen, und in Zukunft stellen sich die Macher durchaus auch vollautomatisierte Bereiche in der Küche vor. Schon jetzt haben bei der Organisation die Maschinen das sagen; die paar Leute hinter der Fächerwand gehorchen ihren Dienst-Tablets, die genau vorschreiben, was wann zu tun ist.

Mitbegründer Tim Young schwärmt davon, wie viel und schnell Eatsa Essen produziert. Investor David Friedberg sieht in dem Fast Food-Restaurant gar eine Zukunft mit Heiligenschein, in Form von Containern, die wie aus dem Nichts in Gegenden knallen, denen eine Quelle für gesundes Essen fehlt. Dass die Automatisierung wie zufällig zu einer Zeit kommt, in der Fast Food-Arbeiter federführend dabei sind, eine Erhöhung des Mindestlohns zu erstreiten, erwähnt keiner von beiden.

Nicht nur deshalb habe ich Vorbehalte. Ich habe noch nicht Platz genommen, da bin ich außerdem schon enttäuscht. Ich hatte erwartet, dass ich jetzt aber auch in einem abgetrennten Bereich mein Essen bekomme, ganz für mich alleine (so was gibt es natürlich auch, aber nicht hier, sondern in der japanischen Kette Ichiran). Stattdessen sitze ich von anderen Kunden umgeben.

Eatsa Restaurant New York

Und dann ist da noch die “Concierge”: Eine junge Frau mit osteuropäischem Akzent und langem Zopf schießt auf jeden zu, der ratlos vor einem der Tablets steht. Sonst steht sie da. Oder wischt die Tablets blank.

Weil ich dieses Essen ohne Personal noch nicht gewohnt bin, lächle ich ihr zu. Daraufhin macht sie den Kardinalfehler. Sie sagt etwas und wählt dabei genau die Formulierung, die mich zuverlässig auf die Palme bringt:

“How is everything?”

Abermals verschiebe ich meinen Plan, darauf mit einer umfassenden Analyse der Weltlage zu antworten (ich bin immer noch nicht fertig mit dieser verflixten Analyse!). “Gut”, sage ich. Und blöderweise stimmt das auch.

Toscana Bowl bei Eatsa

Ich war doch eigentlich schon enttäuscht (wegen der halbherzigen Isolation) und skeptisch (wegen der Auswirkungen auf Arbeitsbedingungen und auch was die Qualität des Essens betrifft), und jetzt stelle ich fest: Meine Toscana Bowl schmeckt erstaunlich gut, und es ist auch eine ganz schöne Menge für den Preis (7,57 Dollar).

Woran erinnert mich Eatsa?

Gegründet wurde Eatsa 2015 in San Francisco. Da hat sich Silicon Valley ja was ausgedacht. Na ja, hat es eigentlich gar nicht. Die Idee eines Automatenrestaurants britzelte schon vor mehr als hundert Jahren durch ein paar Gehirne.

Legendär war Horn & Hadart am Times Square, wo ab 1912 die Leute vor einer ganz ähnlichen, aber viel längeren Fächerwand standen. Sie konnten dort allerlei Essen sehen und warfen einen Nickel ein, um die Klappe öffnen und es herausnehmen zu können. Das 1902 in Philadelphia von einem Deutschen mitgegründete Horn & Hadarts Automats war einmal die größte Fast Food-Kette der Welt. Das letzte schloss 1991 in New York.

Und jetzt bringt mich dieses Automatenrestaurant auf Ideen. Schaut euch dazu einfach diesen lustigen Ausschnitt aus “Ein Hauch von Nerz” mit Doris Day und Cary Grant an.

Schließlich steht auch bei Eatsa menschliches Personal hinter den Fächern. Und mit denen kann man ja offenbar jede Menge Schindluder treiben.

Eatsa, 285 Madison Avenue (zw. 40th und 41st Street), Midtown, Details auf der Website.

Eatsa New York