Ich geh jetzt mal Eis essen. Natürlich nur, damit ihr, liebe Leserinnen und Leser, einen Eindruck davon bekommt, was Eisessen im anstrengenden New Yorker Sommer bedeutet. Dafür nehme ich euch mit auf eine Reise in die Geschichte.

Schon mal ein Kind in einen Sodabrunnen fallen lassen? Nee, wa? Soda Fountains sind nicht etwa Brunnen voller Sprudelwasser, sondern Maschinen, mit deren Hilfe sich Kohlendioxid, Wasser und allerlei Geschmacksstoffe zusammenführen lassen. Früher gab es sie an fast jeder Ecke, im Drugstore oder im Ice Cream Parlor, wo sich dann die Leute am Tresen oder an einem Tischchen mit Getränken in den typischen hohen Gläsern verlustierten, gerne mit ein, zwei Kugeln Eiskreme drin.

An nostalgische Erinnerungen (oder auch einfach Vorstellungen) von dieser Zeit knüpft Brooklyn Farmacy & Soda Fountain an.

 

Brooklyn Farmacy & Soda Fountain

 

Der Clou: Der Laden war tatsächlich mal eine Apotheke, die altmodischen Fliesen zum Beispiel gehören seit den 1920er Jahren hier hinein. Lange Zeit stand das Ladenlokal leer. Bis Peter Freeman nach dem passenden Ort für eine Eisdiele im alten Stil suchte, mit der er sein Glück machen wollte.

 

Brooklyn Farmacy in New York

 

Bei der Restaurierung des Raums bekam er tatkräftige Hilfe – nicht nur von Miteigentümerin Gia Giasullo, sondern auch von der großen Handwerkermannschaft einer Reality Show. Aber ihren Soda Fountain hatten die beiden schon vorher gekauft – auf dem Internetflohmarkt.

 

Soda Fountain in Brooklyn

 

Die Anlage stammt aus den 40er Jahren, verrät mir einer der Soda Jerks hinter dem Tresen – und plaudert munter aus, dass sie damals in einer Besserungsanstalt für Jugendliche gestanden haben soll. Ich wundere mich ein wenig, dass ausgerechnet die bösen Buben (oder gefallenen Mädchen) eiskalte, süße Trendgetränke ihrer Zeit bekommen haben sollen. Aber was weiß ich schon. Als Geschichte klingt es doch toll. Und so etwas erfährt man eben, wenn man am Tresen Platz nimmt.

 

Am Tresen vor dem Soda Fountain

 

Auf dem Tresen ist nicht nur Platz für eiskalte Getränke und Eisbecher, sondern dort locken die typisch strategisch platzierten Süßigkeiten. Ob hier wohl auch mal jemand die Glasglocke lüpft, wenn die Soda Jerks gerade beschäftigt sind?

Was bitte ist ein Soda Jerk?

Ach ja, dieser seltsame Name. “Jerk” sagen Amerikaner eigentlich zu Menschen, die sie für einen Dummkopf halten. Oder einen Blödmann. Oder … ihr versteht schon. Aber “jerk” bezeichnet auch eine – vor allem ruckartige – Bewegung. Und genau die müssen die Soda Jerks drauf haben: An der Soda Fountain sind Hebel, die es zu ziehen oder zurückzustoßen gilt. Daher haben die Jungs hinter dem Tresen ihren Namen.

Weil dieses Café hier aber gar keine echte 50er-Jahre-Eisdiele ist (shocking!), wissen die Besitzer um die heute vorherrschende Bedeutung des Worts – und verdienen auch damit Geld. Und zwar so:

 

Soda Jerk

 

Ich möchte mir aber gar keinen zweifelhaften Zwirn zulegen, sondern erst mal die Pfunde aufbauen, um so etwas auszufüllen (oder vielleicht doch besser nicht). Jedenfalls bestelle ich – wie versprochen – ein Eis. Muss aber vor dem nächsten Foto warnen: In puncto Speichelflusswirkung waren die Backwaren unter der Glasglocke vergleichsweise bloß Brot von letzter Woche.

 

Ice Cream mit Karamell

 

Auf das Eis kommt traditionell noch etwas drauf, und Sahne ist da nur eine Möglichkeit unter vielen. Hier zum Beispiel zähfließt sich auch noch Karamell die Eiskugel herab. Als nicht ganz so traditionelle Variante brechen die Soda Jerks einem auf Wunsch auch ein paar dicke Salzstangen über das süße Zeug.

Trotzdem: Wenn ich mir so richtig Mühe gebe, kann ich mir vorstellen, hier wie ein Backfisch mit dem Liebsten ein Eggcream zu teilen und dabei kichernd zarte Bande zu knüpfen. Hinterher könnte ich dann ja schließlich noch nachschauen, was für uns in den Sternen steht.

 

Brooklyn Farmacy Waage

 

Brooklyn Farmacy & Soda Fountain, 513 Henry Street (Ecke Sackett St), Carroll Gardens, Brooklyn