Central Park Carriage Horse

 

Gar zu goldig, nicht wahr? Das herausgeputzte Ross wartet auf Kundschaft, und die kommt in Scharen. Eine Kutschfahrt im Central Park trappelt schließlich durch so manches Romantikerhirn. Dazu dann bitte ein stadtrundfahrtwissenbewanderter Kutscher, der die Feder auf dem Pferdekopf mit einem Zylinder auf seinem Haupt erwidert. Habe die Ehre, Madam. Aber unten drunter, im Kopf, moppern die Zweifel.

Ist das eigentlich okay für die Pferde?

Da steigen ja schon ganz gerne mal üppig ausgestattete Menschenwesen ein, die sich dann ärgern, dass ihre ungelenken Glieder die vermeintlich elegante Reise mit einem plumpen Aufstieg beginnen lassen.

Eine Kutschfahrt kostet 50 Dollar für 20 Minuten, danach sind alle zehn Minuten weitere 20 Dollar fällig. Pro Kutsche, nicht pro Person – die Kutscher achten jedoch genau darauf, wie viele Leute mit wollen. So ein Central Park Horse lässt sich nämlich nicht für die Massen einspannen.

 

Kutschfahrt im Central Park

 

Touristen sind trotzdem begeistert. New Yorker fahren da natürlich nicht mit, jedenfalls nicht, wenn jemand zusieht. Aber sofern die Pferde den Verkehr nicht aufhalten, gefällt vielen Stadtbewohnern der Gedanke, dasss da lebendige, große Tiere mitten in Manhattan übers Pflaster trotten. Endlich mal etwas, das sich seit 1858 im Tempo New Yorks gehalten hat.

Anderen gefällt dieser Gedanke hingegen überhaupt nicht. Sie finden, für die Tiere ist der Kutschenjob eine Quälerei. Und zeigen Bilder von einem auf der Straße liegenden Pferd. Damit finden sie Gehör. Promis schalten sich ein. Und Politiker. Einer von ihnen ist inzwischen Bürgermeister, hat angeblich im Wahlkampf jede Menge Spenden von den Kutschenfeinden bekommen und sagt: Weg mit den Kutschen (und den Pferden)!

 

Kutschpferd im Parkverbot

Der Beweis: Pferde können nicht lesen!

 

Doch diverse Leute haben nachgeprüft, was die Kutschfahrt im Central Park eigentlich für die Pferde bedeutet. Auch mit Promi-Unterstützung. Der Schauspieler Liam Neeson zum Beispiel stellt dem Foto von der geschundenen Mähre Zahlen gegenüber: In den vergangenen 30 Jahren sind die Kutschen schätzungsweise sechs Millionen Mal durch den regulären Autoverkehr getrottet. Viermal sind dabei Pferde in einem Unfall gestorben. Ein Mensch kam dabei noch nie zu Schaden. Selbst die (ab und zu umfallenden) Bäume im Central Park haben eine schlechtere Gefahrenstatistik. Und jetzt mal von Unfällen abgesehen?

Kutschpferde haben es besser als Taxifahrer

Zweimal im Jahr werden die Kutschpferde von einem Tierarzt kontrolliert, sie wohnen in Ställen, in denen sie sich umdrehen und die Kollegen sehen können (hier gibt es Bilder von einer Tour), und ausgemistet wird alle paar Stunden – ihre Doormen Hausmeister Stallknechte schieben rund um die Uhr Dienst.

 

Kutschfahrt im Central Park? Nee, Pause.

Haaaalt! Zeit für die Pause.

 

Die Pferde dagegen haben viel Freizeit. Sie verbringen höchstens neun Stunden im Kutschgeschirr,  machen alle zwei Stunden Pause, bei großer Hitze und Kälte haben sie frei. Und sie kriegen sogar Urlaub: Mindestens fünf Wochen lang gehen New Yorks Kutschpferde auf die Weide. Von all dem können New Yorker Taxifahrer und Pizzalieferanten nur träumen.

Doch unser Bürgermeister Bill de Blasio will die Kutschfahrerei abschaffen. Pedicabs – Fahrradkutschen – rumpeln ja bereits durch den Park (übrigens zu recht unterschiedlichen Preisen). Aber die Pferdekutschen sollen noch einen anderen Ersatz bekommen: Elektroautos in Oldtimer-Gestalt. Die Steckdosen stehen schon im Central Park herum.

 

Elektrotankstelle im Central Park

 

Dabei gibt es die dazugehörigen Gefährte bis auf einen Prototypen noch gar nicht, und sie wären auch irrsinnig teuer und für Gespräche zwischen Fahrer und Gästen kaum geeignet, sprich: Die Stadtführung ist damit passé. Selbst der ja schon eher parteiische Blog “Car and Driver” sagt nach dem Test: Die Pferdekutsche ist besser.

Wenn Haie zu Tierschützern werden

Die Geschichte verliert jedoch sogleich an Seltsamkeit, wenn man mal genauer hinschaut, wer hinter der Elektroauto-Tierschützer-Fraktion steht – und wo die Pferde eigentlich wohnen. Die Ställe stehen auf der West Side, aus Immobilienhändlersicht gleichen die Grundstücke Sahnetörtchen mit Goldcreme und Diamantnüsschen. Ohne das Kutschgeschäft könnten die Ställe dort ja weg, und es wäre Platz. Für ein Hochhaus zum Beispiel. Nur mal so als Gedankenspiel.

Aber so ein Blick in die vermeintliche Zukunft kann auch täuschen. Zum Beispiel in Sachen Elektroauto. Zwar stehen in Manhattan an vielen Stellen “Tankstellen” für diese Vehikel. Aber im Juli 2011 schätzte die Stadtverwaltung in New York:

By the most optimistic estimates, electric vehicles will represent 0.6 percent of total energy consumption by 2015. If 70 percent of all electric vehicles plugged in at the same time during the peak period, it would increase demand by less than two percent.

Die Pferde ahnen davon nichts, sie trotten an den Steckdosen vorbei und ziehen ihre Kutsche noch ein Stück weiter, zur Tränke.

 

Pferd an der Tränke

 

Das allerdings hat Folgen. Die Horde Leihradfahrer, die neben der Kutsche zum Halten kam, merkt es erst nicht. Dabei macht das Pferd es mit seiner Haltung doch ganz offensichtlich, was als Nächstes kommt.

 

Kutschpferd pinkelt