Henry Rollins ist ja nun nicht auf den Mund gefallen. Der Musiker, Schauspieler, Dichter, Autor und Spoken Word-Schimpftiradenmeister kann wie auf Knopfdruck Geschichten von seinen zahlreichen Touren erzählen und die dann so mal eben mit Kritik an Politik und Gesellschaft verknüpfen. Vor Jahren hat er mir mal im Interview erzählt, wie wenig er schläft. Damals ist er vor einem Pensum von 2.000 Worten nicht ins Bett gegangen.

Jetzt erzählt er von einer ähnlichen Arbeitsmoral. Seit einigen Jahren nimmt er sich jedes Jahr ein paar Monate Zeit zum Reisen. Und da gibt es einen Acht-Stunden-Arbeitstag, der im Beobachten und Fotografieren besteht. Weil er daraus jetzt seinen ersten Fotoband gemacht hat, ist er in der Buchhandlung McNally Jackson zu Gast. Aber das mit der Lesung läuft nicht wie gedacht. Zuerst interviewt ihn Musikerkollege Thurston Moore, oder sagen wir mal, er versucht’s. Henry Rollins sagt nach jeder Antwort: “Das war jetzt eine sehr lange Antwort auf deine Frage, sorry.”

Ich weiß nicht, ob es an der Verteilung der Redezeit liegt. Aber als es daran geht, ein Stück aus dem Fotoband zu lesen – zu jedem Foto hat Rollins ein (meist aggressives) Stück geschrieben – dreht Moore die Gepflogenheiten einfach mal um. “Du bist ja als fesselnder Vorleser bekannt”, sagt er in seiner Einführung, “und ich habe den Text zu diesem Bild hier ausgesucht. Den lese ich jetzt vor.” Und so kommt es, dass Henry Rollins bei seiner Lesung dasitzt und – zuhört.