Ein Mann wirft mir einen gequälten Blick zu. Seine Tochter nimmt gerade ein T-Shirt in Empfang und zieht trotzdem ein Regenwettergesicht. Hier sind viele Eltern mit ihren Kindern. Und viele Leute, die so aussehen, als würden sie ihr halbes Leben vor dem Fernseher verbringen (schon schaltet sich der Rohrspatz in meinem Hirn ein: Klischeealarm!).

Ich bin im Nokia Theatre am Times Square. Die Bühne ist längst umgebaut, eine Showtreppe wartet auf den Star, aber Adam Lambert lässt sich Zeit. Vor mir zickt aufgedonnerter Jüngling mit T-Shirt über Netzhemd seinen Begleiter an, der kurz darauf mit bunten Drinks wiederkommt. Hinter denen, wird mir klar, werde ich nicht viel sehen. Ich finde einen leeren Sitzplatz mit hervorragendem Überblick. Fünf Sessel stehen in dieser Reihe. Ich bin die einzige, die so richtig hineinpasst. Die anderen quellen heraus.  Die junge Dame neben mir fragt: “Bist du aufgeregt?”

Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich habe das Ticket geschenkt bekommen, und ich bin gespannt, wie ein Musiker aus diesem Genre (Pop/Dance) und mit diesem Hintergrund (Musical/TV) seine Show anlegt. Aber ich bin kein Fan. “Ich bin zwischen ich-kann-nicht-fassen-dass-ich-hier-bin und ich-flippe-gleich-aus”, sagt das Mädchen. “Oh, gut”, antworte ich und meine es auch so. Ich möchte nicht, dass hier jemand ausflippt. Und sie hätte schon Grund dazu. Sie ist nur für ein paar Tage in New York, und ihre Tante überraschte sie heute damit, dass sie Tickets für die ausverkaufte Show hat.

Ich frage meine Sitznachbarin, ob sie Adam Lambert letztes Jahr schon während “American Idol” (dem hiesigen Äquivalent zu “Popstars” und “DSDS”) gesehen hat. “Oh, I was a heavy voter”, sagt sie lachend, mit dem Handy in der Hand, mit dem sie später ihrer Freundin immer wieder durchgeben wird, welche Songs Adam gerade gesungen hat. Sie war von Anfang an für Adam. “Ich habe gesagt, wir werden heiraten”, sagt sie. “Wie vermutlich massenhaft andere Frauen auch.” Ich lache zustimmend, aber sie fährt ganz ernst fort. “Aber das geht ja nicht, er ist ja schließlich schwul”, sagt sie.

Dann kommt Adam, und das Publikum unten im Stehbereich leuchtet im Glanze der Handy- und Kameradisplays.

Schräg vor uns steht eine Frau mit strähnigem Haar und zeltartiger Leopardenmusterbluse auf, schwingt eine Hand im Takt. Die hübschen, dünnen Teenager ein paar Plätze weiter schneiden Grimassen dazu.