Was essen wir zu Thanksgiving? Für die einen ist es die Frage der Saison. Schließlich soll das hinterher auf Instagram toll aussehen, komplett mit Glühlampengirlande, #friendsgiving und einem inspirierenden Spruch zum Thema Dankbarkeit. Die anderen haben Hunger.

Hunger? In einer Stadt wie New York?

In New York rennen keine Kinder mit aufgedunsenen Bäuchen herum. Und falls sie mit leeren Bäuchen herumrennen, sieht man das nicht. Technisch gesehen gibt es keinen Hunger in New York. Das Problem hat einen anderen Namen: Food Insecurity (Lebensmittelknappheit bzw. Ernährungsunsicherheit).

Canstruction 2015 Bugs Bunny

Hattu Möhren?

Manche nennen das auch Meal Gap. Klingt nach Diät, hat sich aber niemand selbst ausgesucht. Da fehlt es bloß immer mal wieder an einer anständigen Mahlzeit, weil die Kohle für die Miete, Zigaretten, Windeln oder den Lottoschein draufgegangen ist, weil Starbucks diese Woche leider nur drei Schichten vergeben wollte oder keine Reserve für die Asthma-Medikamente da war oder der Kerl in den Knast wandert, wenn Mutti nicht endlich dessen Tickets bezahlt.

Bei den einen ist der knurrende Magen nur so eine Phase, die anderen schauen jede Woche in einen leeren Kühlschrank. Jedenfalls: Wer übers Jahr nicht täglich die Chance hat, sich ausreichend zu ernähren, fällt in die Kategorie “Food Insecurity”. In New York sind das erschreckend viele Menschen.

 

Kanye gegen Hunger

Nee, der Kanye leidet bestimmt keinen Hunger. Aber auf wen gucken die denn da?

Donald Trump bei Canstruction

Donald Trump? Der kann sich wohl auch eine warme Mahlzeit leisten.

Von 2014 stammt die aktuellste umfassende Untersuchung darüber, wie viele Menschen es in New York es nicht schaffen, regelmäßig Essen auf den Tisch zu stellen: mehr als 1,4 Millionen Menschen, das entspricht jedem sechsten Bewohner der Glitzerstadt. Die Kleinen haben so richtig das Nachsehen. Jedes vierte Kind geht immer wieder ohne Abendbrot ins Bett.

Essen gegen den Hunger

Organisationen wie City Harvest und Food Bank for NYC sind deshalb in New York sehr aktiv. Die New York Coalition Against Hunger arbeitet mit mehr als 1100 Suppenküchen und Lebensmittelverteilstellen, die der im deutschen Sprachraum verbreiteten “Tafel” ähneln.

Dosen gegen den Hunger

Sie alle wissen: Vor den Feiertagen (Thanksgiving, Hanukkah, Weihnachten) bügeln die Leute ihre Spendierhosen. Damit dabei genug hervorklimpert, um auch noch in den Sommerferien frisches Gemüse, lang haltbare Lebensmittel und warme Mahlzeiten verschenken zu können, lassen sich die Hunger-Aktivisten etwas einfallen.

Canstruction Dosen

Zum Beispiel arbeiten sie mit Restaurants zusammen, wo sie diejenigen New Yorker erreichen, die auch nicht so unbedingt selbst etwas Leckeres auf den Tisch stellen, aber nicht, weil sie sich die Zutaten nicht erlauben können, sondern weil sie ihren Ofen als Kleiderregal nutzen. Da spenden die beteiligten Restaurants dann ganze Gerichte an Hunger-Organisationen. Zum Beispiel isst man bei Slice Out Hunger Pizza gegen den Hunger. Klingt absurd, ist aber so.

Stapelweise Dosen für den guten Zweck: Canstruction

Eine andere Idee soll anschaulich zeigen, wie viele Lebensmittel eigentlich gebraucht würden, um ganz New York sattzukriegen: Canstruction.

Canstruction 2015

In dem Wettbewerb, der auch in anderen Städten stattfindet, bauen Architektur-, Design- und Ingenieursfirmen plus meistens ein paar Schulen um die Wette – mit Lebensmitteldosen. In einer Ausstellung steht neben jedem Werk aufgelistet, wie viele Dosen drinstecken und wie viele Leute davon satt werden. Hinterher geht nämlich der ganze Tunfisch und Mais, die Bohnen und Tomaten und ihre Konservenkollegen an bedürftige New Yorker.

Bilder der diesjährigen Ausstellung habe ich im Text ja schon verteilt. Da könnt ihr jetzt mal schön zurückscrollen und nachgucken, aus welcher Dosenskulptur sich das beste Essen zubereiten ließe.

Essen aus der Dose

Canstruction 2015, Brookfield Place (das frühere World Financial Center), 250 Vesey Street. Bis 16. November 2015.

  • Wenn ihr schnell seid, könnt ihr auf der dazugehörigen Website noch für den Publikumspreis abstimmen (bis zum Abend des 16. November).
  • Fotos von den Canstruction-Wettbewerben der vergangenen Jahre findet ihr hier, da und dort.
  • Im Dezember kommen dann die nächsten essbaren Türme nach New York – bei der Gingerbread Extravaganza.