Für den dritten Teil müssen wir alle aufstehen. Wir werden “Q+A” von Darren O’Donnell erleben, und das kann man nur erleben, wenn man mitmacht. Ross Simononi liest Anweisungen vor. “Setz dich, wenn du mehr als drei Sprachen fließend sprichst.” – “Setz dich, wenn du öffentlich zugibst, dass du gern deine eigenen Fürze riechst.” – “Setz dich, wenn du noch nie Fleisch probiert hast.” Und so weiter.

Wir stehen (oder setzen uns) in der berühmten New York Public Library, die gerade ihr Hundertjähriges feiert. Ich habe mich so gefreut, herzukommen. Einmal abgesehen davon, dass es hier so schön ist: Diese Veranstaltung des Literaturmagazin The Believer heißt “QNA: A Roundtable Discussion on the Art of the Interview”, und eben habe ich den Meistern des Fachs lauschen dürfen bei Anekdoten und Erkenntnissen und Warnungen aus dem Berufsalltag, der mir so am Herzen liegt. Claudia Dreifus, Dick Cavett, Lorin Stein und Kenneth Goldsmith sagen all diese geistreichen Dinge über Interviews. Sie nähren so intensiv die am weitesten verbreitete Angst unter Interviewern mit Katastrophengeschichten, wie mal die Technik versagte, dass ich mir sofort ein zweites Aufnahmegerät kaufen will. Sie geben mir endlich Kanonenfutter gegen mein schlechtes Gewissen, wenn ich mich bei Fragen wie “Was war denn dein interessantestes/liebstes/bestes Interview?” winde. Sie teilen das Entsetzen, wenn sich einer der persönlichen Literatur-Helden im Interview als jemand entpuppt, der keinen vernünftigen Satz sagen kann.

Und jetzt steh ich hier und fühle mich immer unwohler, weil keine Frage kommt, bei der ich mich setzen darf, und ich denke: Ha, das ist echt ein tolles Theater. Bei der Anweisung “Setz dich, wenn du kein Deo oder ähnliches benutzt” setzen sich nämlich verdächtig viele Leute. Die lügen doch, denke ich, weil sie nicht mehr so im Fokus stehen wollen. Ich würde mich auch gern setzen. “Setz dich, wenn du dir schon mal einen Knochen gebrochen hast.” – “Setz dich, wenn du noch nie ein Handy besessen hast.” – “Setz dich, wenn du gepiercte Brustwarzen hast”. Ich kann mich nicht zum Lügen durchringen. Wir sind nur noch zu zweit, stellen die beiden Moderatoren fest. Ich weiß nicht, wer da noch steht oder bei welcher Frage er oder sie sich  setzt, aber ich bin die Letzte, die steht.

Ich soll auf die Bühne kommen. Meinen Namen sagen. “Meine Damen und Herren, wir haben hier die langweiligste Person im ganzen Publikum.” Kichernd verneige ich mich. Und dann darf ich mich endlich setzen. Auf der Bühne. Das Publikum darf mich fragen, was es will, und ich habe das Recht, Fragen nicht zu beantworten. Ich beantworte aber alle. Nur nicht unbedingt immer so, wie die Leute sich das gedacht haben.