Diesmal weiche ich bei der Apfelpresse vom Muster ab und schreibe zu einem der Schlagzeilenthemen aus New York mehr als üblich. Denn die Geschichte beleuchtet, wie nicht nur mir für diese Nachrichtenliste die Quellen wegbrechen, sondern auch die Informationsgrundlage für eine Stadt mit achteinhalb Millionen Einwohnern bröckelt. Abgesehen davon sorgen die Folgen einer Explosion für Gesprächsstoff, und die einen schockt ein Bericht über Fremdenfeindlichkeit, die anderen kriegen sich über eine Markise nicht mehr ein.

Neuer Besitzer entlässt die Hälfte des Personals der “New York Daily News”

Dass Zeitungen es gegen die vermeintlich kostenlose Internetkonkurrenz nicht leicht haben, ist ein alter Hut. Aber irgendwer muss ja die Nachrichten finden, die Fakten zusammentragen, Beteiligte und Zeugen befragen und aus alldem die Wahrheit herausfiltern. Dabei sind LokalreporterInnen unersetzbar. In New York hätte beispielsweise niemand vom gewaltsamen Tod Eric Garners durch Polizisten (“I can’t breathe”) erfahren, wenn nicht zwei Lokalreporter davon Wind bekommen und nachgeforscht hätten – einer von ihnen in Staten Island unterwegs, der andere mit langjährigem Draht zur Polizei. Sie arbeiteten für die “New York Daily News”, die zwar für Boulevard-Überschriften berühmt ist, aber auch darauf achtet, dass die Fakten in ihren Berichten stimmen. Gerade erst hatte das Blatt seinen elften Pulitzerpreis abgestaubt.

Jahrelang gehörte die “New York Daily News” einem Milliardär, im September verkaufte er das Blatt an die Zeitungskette Tronc. Am 23. Juli wurde die Belegschaft in ein Meeting berufen, in dem sie lediglich gebeten wurde, ihre E-Mails zu checken. Per E-Mail erfuhr dann die Hälfte der Angestellten von ihrer Entlassung. Nachdem das “Wall Street Journal” bereits 2016 seine New York-Seiten gestrichen und die “New York Times” ihre “New York Metro”-Abteilung zusammengekürzt hatte, obendrein die “Village Voice” ihre Printausgabe eingestellt hat, die digitale DNAinfo von ihrem Besitzer geschlossen wurde und der wiederbelebte Gothamist nur wenig anderes als Clickbait liefert, fehlen in der Stadt ohnehin ReporterInnen, die nachhalten, ob und wie Politik und Verwaltung ihre Aufgaben erfüllen – und sie zur Rechenschaft ziehen.

Die “Daily News” hat das zuweilen allein mit der richtigen Fragestellung geschafft: Die Frage, ob der Präsident denn wohl Steuererleichterungen für einen Wohnsitz in New York geltend machen könnte, wenn er doch im Weißen Haus wohne, brockte eben jenem Kosten von rund 48.000 Dollar ein. Eben solche Berichte haben Trumpfans dazu verleitet, sich öffentlich über die Entlassungen zu freuen – und zu behaupten, die Zeitung werde wegen ihrer Trump-Kritik bestraft. Auch wegen solcher Lügen braucht (nicht nur) New York jede Menge fundierten Journalismus.

(Ausführlichen Überblicksartikel nachlesen bei Politico, den Wortlaut der Kündigungs-E-Mail nachlesen bei NPR, einen Leitartikel über Trumps Feldzug gegen die Medien – veröffentlicht eine Woche nach den Entlassungen – in der Daily News lesen)

Große Explosion ohne Schwerverletzte, aber mit der Sorge um Spätfolgen

Wenn es knallt, denken heutzutage viele Leute an das Werk böser Menschen. Eine Explosion in New York erinnert die BewohnerInnen der Stadt daran, dass es auch noch andere Schrecken gibt. Am Morgen des 19. Juli tut sich nach einem gehörigen Kawumm ein großer Krater in der 21st Street auf, rundherum ist alles in Staub und Schlamm getaucht, aber glücklicherweise niemand verletzt (später melden die Behörden, dass fünf Menschen leichte Verletzungen erlitten). An der Stelle war eine steam pipe aus bislang ungeklärten Gründen in die Luft gegangen. Solche Rohre transportieren heißen Dampf, mit dem unter anderem diverse öffentliche Gebäude geheizt oder gekühlt werden. Viele dieser Rohre sind an die 100 Jahre alt – und oft mit Asbest isoliert.

Wer das weiß, versteht auch, warum die Stadt New York direkt nach der Explosion sofort warnte: Menschen, die sich in der Nähe aufhielten und Dreck abgekriegt hatten, sollten sofort duschen und ihre Kleider wechseln. Die Gegend im wuseligen Flatiron District wurde zudem weiträumig gesperrt, 49 Gebäude wurden evakuiert. Die Aufräumarbeiten ziehen sich hin. Denn durch den Druck der Explosion hat sich das krebserregende Asbest weit verteilt – und muss jetzt mühsam von Fassaden und allen anderen Flächen entfernt werden. (In der New York Post über die Aufräumarbeiten und ärgerliche Geschäftsinhaber nachlesen, und amNY erklärt, was steam pipes eigentlich sind und was sie zum Bersten bringen kann)

Fremdenhass: Jede vierte Kopftuchträgerin wurde schon mal in Richtung U-Bahn geschubst

Es wäre so einfach so glauben, der Hass wohne in den Hochburgen der Republikaner. Doch die New Yorker Menschenrechtskommission (CCHR) befragt regelmäßig mehr als 3000 muslimische, jüdische, arabische, südasiatische und Sikh-EinwohnerInnen, um sich ein Bild von Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und Islamophobie im melting pot zu machen. Nun veröffentlichte sie einen Bericht, der die Zeit vor und nach der Wahl 2016 beleuchtet. Demnach erleben die befragten New YorkerInnen in hohem Maße Diskriminierung, Schikane und Gewalt, die von Vorurteilen herrührt. Eine Gruppe sticht aus dem Bericht besonders hervor: kopftuchtragende Frauen. 27,4 der Hijab-tragenden Frauen, die an der Befragung teilnahmen, sind schon einmal auf einem U-Bahnsteig geschubst worden. Die höchste Schwelle, solche Vorkommnisse zu melden, stellt die Sorge dar, damit nicht ernstgenommen zu werden.

(Ausführliche Story mit Interviews nachlesen in der Village Voice, den kompletten Bericht gibt’s beim CCHR)

Trauriges Kofferpacken für eine bessere Welt

Beharrlich machen sich viele AmerikanerInnen für das Miteinander von Menschen ganz verschiedener Herkunft stark und wehren sich dagegen, wie die Regierung mit EinwandererInnen und Asylsuchenden umspringt. In New York bedeutet das nicht nur, dass Leute mit Transparenten durch die Straßen ziehen oder Grüppchen vor dem Hauptquartier der Abschiebepolizei ICE (Immigration and Customs Enforcement) ausharren. Sie werben auch für Verständnis. Am Donnerstag riefen mehrere Organisationen deshalb zum Kofferpacken auf: Was würden Sie einem Angehörigen einpacken, der abgeschoben wird? Damit machen sie auf eine ganz schön gruselige Praxis aufmerksam. (Details über die Aktion und das, was Menschen von ihrem Besitz bleibt, wenn sie die USA verlassen müssen, bei amNY nachlesen)

Punk ist immer noch nicht tot, wie die Supermarktkette Target beweist

Das East Village hält eisern an seinen Qualitäten als Hort der Freien, Kreativen und Selberdenkenden fest und erinnert sich gern an Institutionen für diese Menschen – wie zum Beispiel den 2006 angesichts steigender Mieten geschlossenen Club CBGB (sie betrug damals bereits 19.000 Dollar und sollte sich beinahe verdoppeln). Bands von den Ramones und Blondie bis zu Bad Brains und Avail hatten dort wilde Nächte. Nach der Schließung bezog ein Modedesigner dort Quartier. Und nun öffnet nicht allzuweit entfernt im East Village nicht nur eine Supermarktkette ihre Pforten, sie hängt auch noch eine Markise im Stile des CBGB drüber – TRGT steht da. Das kommt überhaupt nicht gut an. Aber der rotzfreche Geist der Gegend scheint schnell abzufärben: Eine ernsthafte Entschuldigung bleibt Target schuldig. (Nachlesen beim Gothamist)