Grad gestern hat die New York Times ein Online-Quiz veröffentlicht: Bei “Can you spot the deceptive Facebook Post?” hab ich ausprobiert, ob ich Bilder und Slogans von AktivistInnen von den Beiträgen unterscheiden kann, die bezahlte Trolls mit Fake-Seiten in die Timelines drücken. Und das hat mich inspiriert, doch mal was über “Fearless Girl” zu schreiben. Die Bronzestatue auf dem Broadway nahe der Wall Street ist zu einer der größten Attraktionen für TouristInnen geworden, und die meisten halten sie für echt. Dabei ist sie in Metall gegossener Fake.

Über Nacht tauchte sie vor anderthalb Jahren dort auf. So wie der Stier, könnte man denken, doch da beginnen schon die Unterschiede: “Charging Bull” war die Idee des Künstlers Arturo Di Modica. Er wollte die AmerikanerInnen nach dem Wall Street-Crash von 1987 mit einem Symbol von Stärke aufmuntern, ließ seinen Entwurf auf eigene Kosten gießen und im Dezember 1989 bei Nacht und Nebel unter den Weihnachtsbaum vor der New Yorker Börse legen – na ja, installieren (später zog er um).

Sein plötzliches Auftauchen verleiht auch dem “Fearless Girl” den Eindruck einer Guerillakunstaktion, ist jedoch eine Werbekampagne inklusive Genehmigung fürs Aufstellen. Eine Finanzfirma aus Boston wollte mehr Aufmerksamkeit auf einen ihrer Fonds lenken, der Firmen mit Frauenanteil auf der Führungsebene enthält. Sie beauftragte eine Werbeagentur, die sich das Ganze ausdachte und dann eine Künstlerin mit der Umsetzung beauftragte, die zuvor schon Sportler (soweit ich weiß, nur Männer) in Bronze verewigt hatte.

Bronzemädchen gegen Finanzhaie, Verzeihung, -bullen? Gegen die Wall Street anzutreten ist schwierig, wenn man von ihr finanziert wird.

Klar kann Werbung ein prima Fotomotiv abgeben, in New York ist sie mitunter sogar denkmalgeschützt, wie zum Beispiel der Coca Cola-Schriftzug in Long Island City und (erst nach Bauende wieder zu sehen) die Buchstaben von Domino Sugar an der ehemaligen Raffinerie in Williamsburg. Die tun allerdings nicht so, als stünden sie für etwas anderes als für Zuckerkoma.

Dass “Fearless Girl” für einen Fonds mit weiblichem Namen wirbt, stand anfangs auf einer kleinen Tafel zu ihren Füßen. Die dahinterstehende Finanzfirma hatte sie zum Weltfrauentag 2017 aufstellen lassen und dann mächtig die Werbetrommel gerührt. Also gesagt, wie doll sie sich für Frauen in der Finanz- und Geschäftswelt einsetzt.

Warum sie dann ein kleines Mädchen statt einer Geschäftsfrau als Motiv aussuchten, sagte die Firma nicht. Vertreter der Werbeagentur äußerten sich mit dem Tenor, mit einem Mädchen könne man sich so gut identifizieren. Die “Mädchen” von der Wall Street verneinten das prompt (ob die Kundschaft es super fände, ihre Penunzen von bezopften Dreikäsehochs verwaltet zu wissen, ist leider nicht überliefert). Außerdem schockten viele von ihnen mit der Mitteilung, dass sie den Wall Street-Stier als Inspiration sehen und nicht etwa als Gegner. Manche fanden es sogar fragwürdig, eine weibliche Figur als Gegenspielerin für ein Symbol der amerikanischen Wirtschaft aufzustellen.

Was sag man da. Aber ist doch so süß?

Die Firma (merkt ihr’s? Ich bemühe mich, nicht auch noch Werbung dafür zu machen) ließ daraufhin verlauten, es ginge ja üüüüberhaupt nicht um das soziale oder politische Problem, sondern um ein Problem im Investmentgeschäft. Vehement ritt sie darauf herum, dass sie per Studie herausgefunden hatte, mit Frauen an der Spitze würden Firmen besser abschneiden. Also das, was Studien seit zehn Jahren besagen. Jedenfalls hätten sie damit die Firmen, deren Aktien sie u.a. in den beworbenen Indexfonds stecken, zu einem höheren Frauenanteil drängen wollen. Das klingt jetzt um drei Ecken gedacht, aber dennoch nach einem aufrichtigen Ziel.

Klang. Es klang danach. Denn die Aufmerksamkeit, die die Firma sich gewünscht hatte, führte auch dazu, dass viele Leute nun begeistert nachschauten, was für ein tolles Vorbild die beiden beteiligten Firmen abgeben. Die Werbeagentur hat ne typische Chefetage mit drei Frauen von 11, das drückte gleich mal die Stimmung. Bei der Auftraggeberfirma sitzen sogar nur fünf Frauen unter 28 Führungskräften. Aber deren Mutterfirma hat Frauen im Aufsichtsrat! Von 50:50 sind die aber auch da weit entfernt, die Auftraggeberfirma schneidet in weiten Teilen schlechter ab als Wall Street-Durchschnitt.

Basserstaunt waren die “Fearless Girl”-Fans, als eben jene Firma ein paar Monate nach dem Auftauchen der Heldinnenpose in Bronze eine Millionenstrafe zahlte, weil sie Frauen weniger gezahlt hatte als den Männern. Dem waren US-Behörden auf die Schliche gekommen, noch ehe die Werbekampagne gestartet war.

Aber ne super Pose, oder? Kannste dich beim Selfie genauso dazustellen, sieht stark aus.

Lohnt es sich denn, da genauer hinzugucken? Oder lieber, gerade im Urlaub, am schönen Schein ergötzen? Das geht sogar zu Hause. Es gibt eine Website, auf der man Reproduktionen der Statue in halber Größe kaufen kann – für 6500 Dollar, von denen 20 Prozent an einen guten Zweck gehen soll, der nach Aussage der Website dann später noch bestimmt wird. Die Künstlerin weist zudem auf die UN-Initiative “Day of the Girl” hin – das ist eine tolle Sache und klingt praktischerweise ähnlich.