Auch in New York gelten strenge Voraussetzungen, wenn man das Gras von unten wachsen sehen will. Und wie anderswo auch kann man gar nicht mehr sehen, kaum dass man sie erfüllt (Tote tragen keine Brillen). Aber im Lowline Lab schaue ich mir an, dass Grünzeug sehr wohl unter der Erde wachsen kann.
Die Idee kommt zwei New Yorkern beim Weintrinken, und ich glaube, sie können froh sein, dass das eine New Yorker Weinseligkeit war. Anderswo wäre das Ganze wahrscheinlich in der Abteilung für unterhaltsame Schnapsideen versauert. Im Hirn von James Ramsey dagegen geht in der Oberstube ein Licht an – und eine Weile später geht ihm auch eines auf.
Unterirdisches Sonnenlicht für einen neuen Park
Ausgangspunkt für Ramseys Idee ist ein altes Straßenbahndepot. Früher rangierten dort Züge, die über die Williamsburg Bridge ratterten, als Autos noch nicht so verbreitet waren. Dan Barasch hat davon auch schon gehört. Und weil Ramsey in seiner Designfirma oft mit Licht arbeitet und sich damit auch als Erfinder einen Namen gemacht hat, fummelt er an der Frage herum, wie man dort unten so viele Sonnenstrahlen hinbekäme, dass Pflanzen dort wachsen würden. Dann könnten wir doch einen Park draus machen, sagt einer von ihnen. Und – prost!
Platz wäre in dem Williamsburg Trolley Terminal kein Problem. Endlich mal. Aber damit daraus ein Park würde, müsste dort Gras wachsen. Oder andere Pflanzen. Und die brauchen Licht. James Ramsey denkt sich ein System aus, das Sonnenlicht so bündelt, umleitet und verteilt, dass es unter der Erde in genau der richtigen Wellenlänge ankommt. Wie echtes Sonnenlicht halt.
Schließlich atmen New Yorker in den schönen Parks der Stadt auf, sie brauchen das Grünzeug für Gesundheit und Seelenheil – nur leider sind die Grünflächen ungleich verteilt. Es kann ja nicht jede am Central Park wohnen. Und auf der Lower East Side ist so richtig Essig mit der Erholung im Grünen. Das wollen Ramsey und Barasch ändern. Praktischerweise haben andere für ihren Plan schon eine Bresche geschlagen.
Wenn eine High Line wahr werden kann, warum nicht auch eine Lowline?
Die High Line steht inzwischen in jedem Reiseführer und jeder Touristenkarte, die ich in letzter Zeit zu Gesicht bekam. Früher einmal kletterten verwegene New Yorker auf die stillgelegte Hochbahntrasse und machten coole Fotos von Unkraut auf Rost. Dann kamen Joshua David und Robert Hammond auf die Idee, aus dieser freien Fläche einen Park zu machen. Und jetzt gehen unsere beiden Weintrinker eine Stufe weiter: Wenn es eine Highline gibt, kann es auch eine Lowline geben.
Sie haben genug Geld zusammenbekommen für einen Prototypen, der beweisen sollte, dass die Solartechnologie funktioniert: Sonnenlicht lässt sich unter die Erde leiten. Jetzt haben sie das Lowline Lab. In einem leerstehenden Gebäude testen sich nicht nur die Lichttechnik, sondern auch das Grünzeug. Noch weiß schließlich keiner so genau, welche Pflanzen in den Bedingungen der Lowline am besten gedeihen.
Jedes Wochenende darf man dort dem Gras beim Wachsen zuschauen. Allerdings sehe ich dort auch etwas anders:
Hat eins dieser Stadtkinder da etwa versucht, einen Kopfhörer zum Sprießen zu bringen? Er ähnelt dem Minigestrüpp immerhin ein wenig. Aber vermutlich hat ihn bloß wer vergessen. Doch noch etwas anders kommt mir spanisch vor: das Licht.
Wie ein Spot scheint es auf manche Stellen in dem abgedunkelten Raum. Ein Blick an die Decke bestätigt diese Verteilung irgendwie nicht. Lichtrohr und Spiegel gehen an eine andere Stelle. Und dann sehe ich es – ihr auch?
Scheinwerfer. Ich bin sicher, dass die dort aus einem plausiblen Grund hängen. Leider kann ich es auf die Schnelle nicht herausfinden, aber das gibt ja ein prima Rätsel ab. Vielleicht sollen sich ja nur die Besucher sicher fühlen – und nicht in die Botanik stolpern.
Das Lowline Lab ist noch bis März 2016 an den Wochenenden von 11 bis 17 Uhr geöffnet. 140 Essex Street, Lower East Side. Weitere Informationen gibt’s auf der Website.
Uschi aus Aachen
Dezember 18
Unter die Erde gehen, um im Grünen zu sein – das fühlt sich irgendwie falschherum an… Aber gut, daß es mal jemand ausprobiert. ;-)
Martin
Dezember 18
Ungenutzter Raum unter der Erde sinnvoll genutzt. Perfekt….hoffentlich macht das Beispiel Schule. Und wenn wir es eines Tages endlich geschafft haben, unsere Erde zu zerstören, dann wird das Leben unter Tage vielleicht Realität.
Petrina Engelke
Dezember 18
Liebe Uschi, lieber Martin,
ich empfand es zunächst auch als seltsam, da im Dunkeln herumzulaufen und mir den Gedanken ins Hirn zu quetschen, dass es Sonnenlicht ist, das auf diese Tropenpflanzen scheint. Es hatte auch mehr von Gewächshaus als von Park. Das gibt sich aber vielleicht mit der Zeit.
Dass wir nach Platz über und unter der Erde suchen, ist wohl schon typisch für New York und nicht überall übertragbar. Aber wenn sich diese Technologie als wirklich machbar erweist, wäre sie vielleicht beim Energiesparen interessant (sofern die Geräte in der Herstellung nicht mehr verbrauchen, als sie je “sparen” können).
Bei Park-Projekten wie diesem (und z. B. auch der High Line oder dem Brooklyn Bridge Park) kommt übrigens auch noch die Frage des öffentlichen/privaten Raums hinzu, aber das beackere ich ein anderes Mal. ;-)