Die meisten Leute fangen an zu wispern, kaum dass sie ein Museum betreten haben. In einer Galerie ist es lockerer, aber auch hier gibt es nur eine gewisse Bandbreite an Verhaltensweisen. Dachte ich. Da sind die tiefsinnigen, ironischen oder angeberischen, halblauten Konversationen unter Kennern, die Hallos innerhalb dieser oder jener Szene, die ganz leicht unentspannten Gespräche mit der Künstlerin oder dem Künstler, manchmal schauen die Leute genervt oder geschockt drein, manchmal lacht tatsächlich jemand. Aber noch niemals habe ich erlebt, dass jemand weint. Bis jetzt.

Die rumänische Künstlerin Ioana Nemes war Artist in Residence bei Art in General, hatte seit Ende März eine Ausstellung dort laufen, und dann starb sie. Das war Ostern. Und jetzt verlängert die Galerie die Ausstellung, und sie lädt zum Empfang. Die kurzen Reden sind sehr gefasst, aber in eine Ecke gedrückt schluchzt Ionas Freundin, ich mag mich auch nicht anschauen lassen und in keins der Gesichter mehr schauen, in denen sich hier und da Augen mit Tränen füllen. Dann sind die Rednerinnen fertig, und es entsteht ein betretenes Schweigen. Mir gegenüber liegen Kekse und Erdbeeren unberührt neben leeren Weinbechern. Auch das habe ich noch nie bei einer Galerieveranstaltung erlebt.

Weiter hinten in der Galerie wartet die Ausstellung. Ich mag Ioana Nemes unter anderem deshalb, glaube ich, weil sie manchmal mit Wörtern arbeitet. Arbeitete. Mitten im Raum steht diese Installation mit Zitaten und Sätzen, ordentlich datiert, und an einer seiner Ecken steht da auf leuchtendem Rot unter dem Datum 12. April 2010:

“In sorrow all our facial muscles relax.”

Ioana Nemes: Times Colliding, bis 28.05.2011 bei Art in General, 79 Walker Street