If I can make it there - New York-Zitate

 

Ständig lese ich New York-Zitate. Das mag zum Teil daran liegen, dass sich @nydailyquote immer mal in meinen Twitter-Feed schlängelt. Aber eben nur zum Teil. New York, so scheint es, bringt in den Menschen die Meinung hervor.

Weil das Leben in New York aber keiner Poesiealbumfibel folgt, kommt mir so manches New York-Zitat fragwürdig vor. Da frage ich dann: Wer ist das denn? Oder: Was soll das denn? Oder beides. Oder ich bin so sehr mit Nicken beschäftigt, dass mein Hirn sich weigert, Fragen zu bearbeiten. Jetzt probieren wir doch mal aus, wie es euch damit ergeht.

 

New York-Zitat von E. B. White

Dies ist nur ein New York-Zitat aus der Sammlung des Museum of the City of New York – zu finden in dessen Treppenhaus.

 

Übersetzt heißt das:

“Im Vergleich zu anderen, weniger hektischen Tagen ist die Stadt ungemütlich und anstrengend, aber New Yorker sehnen sich von der Veranlagung her nicht nach Behaglichkeit und Komfort – sonst würden sie anderswo leben.”

Ich weiß nicht, wie es euch geht – hängt vielleicht davon ab, ob ihr schon mal in New York wart – aber das kann ich unterschreiben. Dass ich obendrein noch weiß, wer E. B. White ist, liegt aber nicht an New York, sondern an meinem Beruf. So ziemlich jeder schreibende Mensch in Amerika kennt Elwyn Brooks White als eine Hälfte von Strunk & White – die Verfasser (und den Spitznamen) einer Stilfibel für den guten Text. Außerdem schrieb White übrigens Kinderbücher, darunter “Stuart Little” (in Deutschland durch die Verfilmung bekannt). Und das eine oder andere zitierfähige Wort.

Schon lustig: Ein Satz mit Namen drunter erweckt sofort den Eindruck, dahinter stecke ein furchtbar kluger Mensch. Dabei äußern sich ja nicht nur Dichter und Denker – über New York scheinen auch Hinz und Kunz etwas zu sagen zu haben. Da muss man nur mal in der U-Bahn schwäbischen Touristen zuhören, die nicht ahnen, dass sie jemand versteht. Und wenn ihnen das Kanonenfutter ausgeht, zitieren sie eben Popstars. Ich sag nur:

“If I can make it there, I’ll make it anywhere.”

Nein, das hat nicht Frank Sinatra ausbaldowert (auch wenn er mit dem Song “New York, New York” eng verbunden ist), das schrieb Fred Ebb für einen Film, in dem Liza Minelli sang.

Da sagt euch jetzt kein einziger Name etwas? Wie wäre es denn … mit Taylor Swift?

“Welcome to New York. It’s been waiting for you.”

Lautstark verkündet die junge Dame damit im Oktober ihren Umzug nach New York, lässt sich auf einer Kampagne der Tourismusbehörde zitieren, zur Botschafterin der Stadt mit dem Titel NYC Global Ambassador ernennen – und wird zur Ikone. Allerdings nicht zur Ikone der New York-Songschreibkunst, sondern zur Ikone der Gentrifizierung. Das kann schon mal passieren, wenn man New York von einer 20-Millionen-Dollar-Wohnung aus ganz toll findet. Ach so, und ehe nun jemand dieses Refrainzitat ernst nimmt: New York wartet auf niemanden.

New York hat diverse Meinungen über Taylor Swift, Taylor Swift hat eine Meinung über New York und Lady Gaga eine andere, von Awkwafina ganz zu schweigen (die könnt ihr ja jetzt mal googeln). Wenn man sich auf eines einigen kann, dann darauf, dass die Menschen über New York und dessen Bewohnerinnen uneins sind.

Erinnert ihr euch noch an die Sache mit der Bequemlichkeit? E. B. White war nicht der einzige Stilpapst mit Sendungsbewusstsein. Auch Karl Lagerfeld öffnet die Plaudertasche:

“For me, New York is comfortable, not strange.”

 Allerdings hat der Designer eben erst wieder bei einem New York-Besuch damit geprahlt, dass er sich die Welt gemeinhin von seinem Fenster aus vorstellt und auch in der Glitzerstadt das Hotel so gut wie nie verlässt.

 

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