Zu spät, zu teuer, die Kritiker mäkeln: Jetzt können alle mal nachschauen, was der spanische Architekt Santiago Calatrava sich gedacht hat mit dem World Trade Center Hub, dem neuen U-Bahn-Drehkreuz am Ground Zero. Weil ihr ja nicht alle gucken kommen könnt, mache ich euch eine Bildergeschichte draus. Was seht ihr in dieser Form?

World Trade Center Hub Bahnhof New York

Ein aus dem American Museum of Natural History geliehenes, weiß getünchtes Dinosaurierskelett. Eine Friedenstaube. Knochen passen als Symbol ebensogut wie Schwingen: Die Stahlkonstruktion gehört zum Ersatz für den Bahnhof des PATH Train (von und nach New Jersey), die bei 9/11 zerstört wurde. Gleich nebenan ist das 9/11 Museum, das Memorial mit seinen klaffenden Becken ein Stück weiter westlich, vor dem neuen One World Trade Center. All das kann man bereits seit einer ganzen Weile anschauen, und nun ist auch das seltsame weiße Ungetüm zugänglich.

World Trade Center Hub Bahnhof New York

Dieser Teil des World Trade Center Transit Hub heißt Oculus. Die Fahrkarten-Drehkreuze kommen erst hinter der mehr als 48 Meter hohen Halle, im Moment führen sie nur zum PATH Train, eine Anbindung an elf New Yorker U-Bahn-Linien soll noch folgen.

Weißer Marmor gibt dem Boden das Aussehen einer Eislaufhalle, finde ich. Und ebenso wie schon im längst eröffneten West Concourse – dem Übergang vom PATH Train zu Brookfield Place, dem ehemaligen World Financial Center – hält das Personal den Boden stets makellos sauber. Noch viel häufiger begegne ich Sicherheitspersonal.

World Trade Center Hub Bahnhof New York

Der Oculus im World Trade Center Hub ist so still, als wäre bei all dem Licht, das durch die Fenster zwischen den Stahlknochen fällt, kein Raum mehr für Schall. Oder benehmen sich in dieser Kathedralenstimmung die Leute einfach anders?

World Trade Center Transit Hub Santiago Calatrava

So beeindruckend Architektur, Design und Ingenieurskunst im neuesten New Yorker Bahnhof auch sind: Längst nicht jeder ist vom World Trade Center Hub begeistert. Schließlich haben wir den Bau mit Steuergeldern bezahlt. Statt der geplanten zwei Milliarden hat er vier Milliarden gekostet, obwohl Architekt Santiago Calatrava Abstriche im Design machte (die beiden Flügel sollten sich zum Beispiel eigentlich öffnen und schließen).

World Trade Center Transit Hub Santiago Calatrava

Die weite, hohe Halle strahlt etwas von einem Andachtsraum aus, und das ganze Licht gibt mir ein Gefühl der Hoffnung (oder spielen mir da etwa die ersten Anzeichen des Frühling einen Streich?). Ich mag den Oculus, weil wir Licht und Offenheit, Besinnung und Zuversicht gerade an diesem Ort gut brauchen können.

Ich frage mich aber auch, ob sich dieselbe Wirkung nicht mit deutlich weniger Geld hätte erreichen lassen können. Nein, ich bin mir sicher: So was geht. Vor allem, weil ich sehe, wie viele dringende Probleme die New Yorker Verkehrsbetriebe haben. Wie viele bis zu 80 (!) Jahre alte Signale hätten sie ersetzen können, wie viele fehlende Waggons aufstocken, wie viele Treppen reparieren – allein mit den zwei Milliarden Dollar Mehrkosten?

Statt fünf Jahren hat es zehn Jahre gedauert, bis der Bahnhof, der von vielen Berufspendlern genutzt wird, wiedereröffnet wurde. Und so viele Fahrgäste hat er nun auch nicht; im Grand Central Terminal etwa tummeln sich täglich mehr als fünf Mal so viele Leute wie hier.

World Trade Center Transit Hub Santiago Calatrava

Aber es gibt einen Plan, die Kosten wieder hereinzuholen: Vermietung. Rund um den Oculus sollen Geschäfte einziehen – die imposante Eingangshalle als Kommerzkathedrale.

U-Bahnhof Manhattan Santiago Calatrava

Freilich war das für Fulton Street auch geplant. Diese U-Bahn-Haltestelle liegt ein paar Minuten zu Fuß vom World Trade Center Hub entfernt, wurde jahrelang umgebaut und im November 2014 wiedereröffnet – auch mit einem spektakulären Oculus. Aber bisher stehen die Ladenlokale dort leer.

 

Zugang zum Oculus im World Trade Center Hub findet ihr von der Liberty Street aus (und auch vom Gebäude Nummer 4 World Trade Center). Den ebenso beeindruckenden West Concourse erreicht ihr über den PATH Train-Eingang an der Vesey Street (Drehkreuze links liegen lassen).