Fahrradreste

Das war einmal ein Fahrrad. Traurige Überreste liegen auf dem Boden, ohne Sattel, ohne Räder. Aber die Kette, die hängt noch fest am Fahrradständer. Und genau das verursacht Probleme. Für andere Radfahrer. Und für die Bürokratie.

Noch vor zehn Jahren waren Radfahrer die Abenteurer Manhattans. Wer außerhalb eines Jobs als Bike Messenger oder Pizzalieferant auf einem Fahrrad die Avenues herunterbrauste, galt je nach Freundeskreis als übergeschnappt, lebensmüde … oder auch als Trendsetter.

Einem Bericht der Stadt New York zufolge hat sich hat sich die Zahl der Fahrten mit dem Rad pro Tag seit 2010 von rund 100.000 auf 420.000 gesteigert. Die Verkehrsbehörden müssten deshalb eigentlich die Korken knallen lassen: So manche Experten sind schließlich davon überzeugt, Fahrräder könnten den Auto- und Bahnverkehr erheblich entlasten, und unsere ganz spezielle Großstadtluft käme auch bestens mit weniger Abgasen aus. Kein Wunder, dass New York das Radfahren verlockender – und einfacher – zu machen versucht: Radwege, Leihfahrräder und kostenlose Helme zahlen sich offenbar aus. Aber jetzt gibt es ein Problem.

Mehr Fahrräder bedeuten auch mehr kaputte Fahrräder.

Warum kaputte Fahrräder in New York herumhängen

Wie in anderen Städten auch hält so gut wie kein Fahrradschloss Diebe davon ab, sich mit und auch gleich auf zwei Rädern von dannen zu machen. Und wenn das nicht klappt, die Finger aber dennoch lang sind, hängt an so einem Fahrrad ja auch noch genug Detail, das sich versilbern lässt: Sattel und einzelne Räder zum Beispiel. Oder alles, was nicht festgekettet ist. Der Rest bleibt, wo er war.

Wie ärgerlich, auf dem Nachhauseweg zu entdecken, dass aus dem Zweirad ein Einrad mit verbogener Gabel geworden ist. Und dann hat man auf einmal auch noch Schrott am Hals. Oder auch nicht.

Mancher lässt das Restrad nämlich einfach stehen. Genauso wie eines, das aus anderen Gründen nicht mehr fährt. Fahrräder tragen keine Nummernschilder, was soll also schon passieren – so denken offenbar manche New Yorker. Und dann rostet das Rad vor sich hin, verliert meist nach und nach weitere Teile, bis es wirklich zu fast nichts mehr zu gebrauchen ist. Außer als Platzhalter.

Das wiederum bringt viele Radfahrer auf die Palme und inzwischen auch die Stadtreinigung auf den Plan: Mit den Radfahrern ist auch die Anzahl der Beschwerden über kaputte, achtlos zurückgelassene Fahrräder gestiegen. Sie hängen eisern an jenen Fahrradständern, Laternen und anderen Orten, an denen andere gern ihr Rad festmachen möchten. Und so plagt sich New York mit einer neuen Art Parkplatznot.

Was New York mit herrenlosen Fahrrädern macht

Die Stadtreinigung ist nicht untätig. Fällt ein Fahrrad auf, das kaputt und verwaist zu sein scheint, bekommt es einen Aufkleber. Sieben Tage lang hat die Besitzerin oder der Besitzer dann Zeit, das Rad loszuketten. Danach wird es verschrottet.

Klingt nach einer sauberen Lösung. Aber so einfach ist das gar nicht.

Fahrrad ohne Sattel

Ist dieses Fahrrad zum Beispiel kaputt? Oder findet es dessen Besitzer clever, den superbequemen Sattel lieber mal abzuschrauben und mit ins Büro zu nehmen, damit Diebe sich ein anderes Objekt der Begierde suchen? Schwer zu sagen. Es gibt ja auch Leute, die ihr Vorderrad aus ähnlichem Grunde abschrauben.

Deshalb hat die New Yorker Stadtreinigung einen ganzen Katalog von Kriterien, von denen mindestens drei erfüllt sein müssen, ehe sie ein Fahrrad als schrottreif einstuft. Genervte Radfahrer haben deswegen nun Wirbel gemacht: Sie finden, das dauert alles zu lange, und allzuviele kaputte Räder nehmen ihnen die Parkplätze weg. Die Fahrradparkplätze, wohlgemerkt.

Und so diskutieren New Yorker dieser Tage allen Ernstes über einen Begriff, der mir das Zwerchfell trainiert: “rust requirement”.

Kommt der Rost, geht die Hoffnung?

75 Prozent, so viel Rost muss es derzeit schon sein, damit die Stadtreinigung davon ausgehen darf, dass ein Fahrrad im Regen stehen gelassen wurde. Vorher soll sie noch hoffen, dass da jemand nur mal eine ausgedehnte Fahrradpause macht.

Aber – juhuuu: Dieses Rostmindestmaß könnte bald auf 50 Prozent herabgesetzt werden.  Auch andere Kriterien – etwa ein Platten – stehen zur Diskussion, zudem sollen nur noch zwei – und nicht mehr wie bislang drei – solcher Punkte ausreichen, um ein Fahrrad aus dem Verkehr zu ziehen.

Das wiederum ist allerdings auch ein Stein des Anstoßes. In New York landen herrenlose, kaputte Fahrräder nämlich einfach auf dem Müll. Städte wie San Francisco, Boston und Chicago haben dagegen mit einer anderen Lösung hübsch vorgelegt: Sie verschenken die eingesammelten Fahrradparkplatzblockierer an örtliche Organisationen, die sie reparieren oder recyceln. Vor einem solchen Modell stünde in New York natürlich erst mal weiterer bürokratischer Aufwand.

Doch noch ist nichts entschieden – und manche Fahrradparkplätze ähneln dann eben dem Times Square.

Parkplatznot für Fahrräder in New York

Wenn das mal keine Lieferdienst-Fahrräder sind … auch die Profis drängeln sich um die Fahrradständer in Manhattan.