Die Hoffnung stirbt zuletzt

Überall haben sie sich versammelt wie hier in Tudor City und drängeln sich mit ihren Kameras. Das Fernsehen ist auch da. Heute (und gestern) ist Manhattanhenge. Wenn die Sonne untergeht, tut sie das in genau dem Winkel, der es so aussehen lässt, als ginge sie in der Häuserschlucht zwischen den Wolkenkratzern unter, als liefen ihre Strahlen golden bis zum East River. Das liegt zu einem Großteil an der natürlichen Lage der Insel. Wäre das Straßengitter von Westen nach Osten nur ein paar Grad anders angeordnet, würde es diese Stonehenge-artigen Momente hier niemals geben. Ein Historiker…

Bratapfel

Wir haben es geschafft. Wir sind im dreistelligen Bereich. 102 Grad Fahrenheit messen sie im Central Park, gestern hatten wir nur 99 Grad. Man kann eben aus den unangenehmsten Umständen noch einen Wettbewerb machen. Hitze ist in New York genauso unterträglich wie Kälte. Es ist erst Anfang Juli und schon die zweite Hitzewelle der Saison. Nachts kühlt es sich zwar ein paar Grad ab, aber man kann weder bei 38 noch bei 28 Grad schlafen. Deshalb laufen die Klimaanlagen bei allen, die eine haben. Und deshalb wiederum bittet der hiesige Strom- und Gasanbieter darum, sich…

Primatentraining

Die Schilder nutzen nichts. “Please keep your voice down. Then you will see the birds”, steht da. Aber um mich herum ist nur Geschrei im Vogelhaus. Der Bronx Zoo ist brechend voll. Es hat sich nach zwei Wochen Hitzewelle erstmal etwas abgekühlt, und mittwochs braucht man nur so viel Eintritt zu bezahlen, wie man will. “Oh, you want to donate?”, fragt die Frau am Einlass erstaunt. An anderen Tagen kassiert sie 16 Dollar. Im Affenhaus ist es auch laut. Hier erklären Schilder, dass die Gerätschaften, die nicht nach Dschungel aussehen, dazu gedacht sind, die Affen…

Eine Menge Holz

Dieses Bild ist echt. Wer vor hier aus über den halben Central Park nach Süden blickt, dem hängen ein paar Holzstangen in der Perspektive. Bambusstangen, um genau zu sein. Und es werden immer mehr. In einer versteckten Ecke des Metropolitan Museums, die nicht öffentlich zugänglich ist, schneiden zwei Helfer weitere Teile der Riesengräser zurecht. Zwei Kolleginnen hocken derweil angeseilt im Dickicht und legen die Wasserwaage an. Sie ziehen gerade eine neue Stufe ein. Überall kann man sehen, dass die Stangen mit Seilen zusammengezurrt sind, wie sie Kletterer verwenden. Und Kletterer sind es auch, die hier…

Schlag ins Wasser

Dies ist eine Bildergeschichte. Auf dem See mit dem schlichten Namen “The Lake” im Central Park (wo es auch noch weitere Gewässer gibt) sieht man im Sommer viele Ruderboote. Dieses hier fängt den Blick vieler Spaziergänger ein, die eigentlich nur zum berühmten Bethesda-Brunnen wollten. Jetzt haben wir also zwei miteinander vertäute Ruderboote, auf denen eine Platte liegt mit Schlagwerk drauf. Ein Stück weiter des Wegs liegt etwas auf dem Boden. Es verrät, warum ich hier bin. Ich möchte eine Aufführung von “Persephassa” sehen, einer Komposition von Iannis Xenakis für sechs Perkussionisten. Die Uraufführung fand in…

Kunst und Kohl

So ein Schlüssel zur Stadt öffnet Türen. In diesem Falle hatte ich dahinter Staub und Spinnen erwartet. Die geziegelte Scheune steht in einem Hof. Der liegt hinter einem Bahnübergang in der South Bronx. Das Gelände gehört zu The Point, einem sozialen Projekt, das der Jugend aus der Nachbarschaft eine Perspektive geben will. Mein Schlüssel passt ins Schloss. Mit einem beherzten Ruck öffne ich die Tür – und bin erstaunt, wie (relativ) hell es drinnen ist. Auf einer Staffelei steht ein Plakat, mit dem ich dazu eingeladen werde, nach Herzenslust zu malen. Das Bild soll ich…

Urban Jungle

Sie waren mir noch nie sympathisch. Und jetzt habe ich auch einen Grund dafür. Dieser Grund wiederum ist der Grund dafür, warum ich nur ein unscharfes Bild als Fußnote anhängen kann. Aus dem Kasten rechts kommt unter anderem das Kabel, durch das die Internetverbindung für mein Büro rauscht. In der Ecke an dessen linker Seite rupft ein Tier (genau hinschauen!) an allem, was aus der Kiste kommt. Es reißt und kaut an den Kabeln und macht mich seit Tagen zum Mitglied der digitalen Boheme, zum Arbeiten ziehe ich in Cafés um (oder, ganz uncool, in…