Die Irrenärzte verlassen die Stadt

Erst bin ich ein bisschen enttäuscht. Susan Shapiro, die Moderatorin des Abends, scheint all ihre Studenten mobilisiert zu haben, sie dirigiert, wer wo sitzen soll – und nervt. Gerade als ich mich frage, ob das vielleicht schon zum Programm gehört, geht es los. Es ist nämlich so: Die Therapeuten New Yorks verlassen im August in Scharen die Stadt (wie alle, die mental und monetär halbwegs beisammen sind). Zum Trost für all die anderen (selbstverständlich therapiesüchtigen) New Yorker hat Susan Shapiro “The Shrinks are Away!” erfunden, eine Lesung zum Thema. Shapiro selbst liest als Vierte, monoton…

Spezialinstrument

Straßenmusiker werden in New York tiefergelegt – viele spielen auf den Bahnsteigen oder in den Gängen zwischen den U-Bahn-Stationen, und so einige gewinnen einen guten Platz bei der alljährlichen Audition. So habe ich in den U-Bahn-Stationen schon alle möglichen Instrumente gesehen. Aber dieser Mann hier und heute erscheint mir einzigartig. Wie würde man seine Erfindung wohl nennen?

Auf Pump

Immense Situationen versteht man ja oft am besten anhand der ganz kleinen Dinge. So geht mir das jetzt auch. Klar ist mir bekannt, wie das mit der Wirtschaftskrise vonstatten ging. Immobilienkredite an Leute, die sich gar kein Haus leisten können und so fort. Aber zumindest meiner Perspektive gibt es dieses gewisse Etwas von Realität, als ich mit X spreche, dessen Namen ich zu verschweigen versprach. Er arbeitet in der Autobranche. Und er beobachtet einen massiven Wechsel. Und er sieht den ganz neutral. Vor, sagen wir mal, 2008, sagt er, war das echt anders. Also nicht…

Von wegen Nachtschicht

Es gibt viele Coworking Spaces in New York, aber einen nur für die schreibende Zunft hatte ich bisher noch nie gesehen. Bei Paragraph kann man sich ein ruhiges Plätzchen zum Schreiben mieten. Manche tun das, um sich verpflichtet zu fühlen und endlich den Roman fertigzukriegen, manche brauchen einen Ort, an dem sie ihren Zwei-Seiten-Essay in Angriff nehmen. Dafür gibt es auch eine günstige Teilzeit-Mitgliedschaft: Dann darf man wochentags nur zwischen 18 und 11 Uhr hinein. Ich denke, ha, das passt ja wunderbar zum Schriftsteller-Klischee. Nachtarbeiter. Aber dann erklärt mit Lila, dass dieses Angebot besonders oft…

Achselzucken in Europa

Das Problem sind nicht Schwierigkeiten, die einem jemand bewusst in den Weg legt. Absagen, Verbote, die Feindseligkeiten. Wenn etwas die Arbeit behindert hat, dann war es Gleichgültigkeit. Mila Turajlic hat mehrere Jahre lang an “Cinema Komunisto”, einem Film über die jugoslawische Filmindustrie gearbeitet. Deshalb hat ihr in Serbien niemand Ärger gemacht. Aber viele ihrer Briefe, in denen sie fragte, ob sie hier ein paar Stunden drehen oder dort ein Archiv einsehen darf, blieben unbeantwortet.

Wer Rabatt verdient

Stützen der Gesellschaft bekommen etwas zurück. Soldaten in Uniform brauchen hier in vielen Kultureinrichtungen keinen Eintritt zu bezahlen, manchmal sehe ich auch, wie jemand einem Soldaten die Hand schüttelt und sich bedankt. Ich fühle mich dabei ein wenig unwohl, weil die Männer und Frauen zwar für ihr Land den Kopf hinhalten, aber eben womöglich auch anderer Leute Leben auf dem Gewissen haben. Aber das Prinzip finde ich gut: Anerkennung für die Stützen der Gesellschaft. Und die gibt es, wenn auch meist weniger gut sichtbar, auch für friedlichere Berufe mit diesem Kern.

Platz für den Präsidenten

“Na Jungs, wie läuft’s?” “Es regnet nicht. Das ist toll.” Hier unterhalten sich keine Camper, sondern Cops unterschiedlicher Couleur. Der Frager steht mit neongelben Streifen verziert an der Kreuzung, seine Pfeife lässt er lässig baumeln. Die “Jungs” sind eben mit einem dieser Klischeeautos angerauscht, einem schwarzen Van mit getönten Scheiben, der an den irrsten Stellen farbig blinken kann. Jetzt kommt einer in Uniform und Schutzweste da heraus, es folgen zwei in Zivil mit einer Vorliebe für Beigetöne und ein noch mal anders Uniformierter mit einem Hund. Anders als die typischen New Yorker Hunde läuft er…