Hufe oder Rollen

Es ist gerade fünf durch, das National Museum of the American Indian hat geschlossen, und ich sitze hier unten auf der Bank. “I’ll take you somewhere you can sit”, hat der Wächter gesagt und mich mit einem Nicken durch eine Tür geschoben. Seine Kollegen haben geguckt und gefragt, was ich angestellt habe. Ich habe mich mit eben jenem Wächter verabredet. Er ist einer dieser New Yorker, über die ich Geschichten schreibe. Seine beginnt in einer Familie mit elf Kindern in einer Railroad-Unterkunft in Brooklyn. Aber die habe ich in diesem Moment ja noch nicht geschrieben….

Barbäuchig im Park

Diese Leute rennen nicht vor den Park Rangers davon. Sie können nicht anders. Sie müssen halbnackt antreten: Bevor der New York City Triathlon beginnt, laufen eine Menge Leute den Jamaica Underwear Run. Der heißt so, weil man da erstens eben nicht in High-Tech-Sportsachen antrabt, sondern in Unterwäsche. Damit hat die Veranstaltung bereits letztes Jahr den Weltrekord geholt für die größte Ansammlung von Menschen in Unterwäsche.  Und zweitens, weil der Spaß vom jamaikanischen Tourismusbüro veranstaltet wird – das Sonderpreise für den schönsten Jamaica-Aufzug vergibt. Schon klar, dass der notorische Naked Cowboy sich bei der Gelegenheit in…

Moment mal: NY ohne Beep?

Fernseh- und Radiosender müssen anständig aufpassen, was etwa Talkgästen oder Nachrichtensprechern herausrutscht. Aufzeichnungen schaut das Personal durch und unterlegt jedes schlimme Wort mit einem Piepen. Verstöße belegt die FCC (Federal Communications Commission) nämlich inzwischen mit bis zu 325.000 Dollar. In Deutschland kennt man Ähnliches von Import-CDs: “Explicit Lyrics” steht da, wo in Amerika das Publikum vor Kraftausdrücken und sexuellen Anspielungen gewarnt wird. Also bitte keine Eindeutigkeiten. Doch ausgerechnet wegen Uneindeutigkeit erlebt die FCC jetzt vor Gericht eine Schlappe: Was genau unanständig ist, entscheidet die FCC offenbar mal so, mal so. Aber es sei nicht verfassungskonform,…

Geschlechterfrage

Es ist besetzt, ich muss warten. Eine ältere Frau steht vor mir an. Sie dreht sich zu mir um, lächelt und sagt: “Die da hinten in der Ecke sind ganz schön laut. Weltmeisterschaftsfieber, nehme ich an.” Ich nehme an, sie erwartet, dass wir jetzt gemeinsam jammern. Aber ich sage: “Oh, mit denen bin ich hier.” Das stimmt nicht so ganz. Da haben sich zwei Typen dazugesellt, von denen jeder dachte, einer der anderen kenne sie. Und ich finde auch, dass die beiden Brüder viel zu laut sind, wie sie uns allen erzählen, sie seien die…

Frauenfußball

Eine hat deutsche Vorfahren. Eine andere hat mal in Deutschland studiert. Wieder eine andere findet Philipp Lahm umwerfend (und kriegt sich nicht mehr ein, als ich ihr übersetze, was sein Name bedeutet). Eine hat Freunde in Deutschland. Eine hat immer gut zugehört, wenn Papa und Bruder über Fußball gesprochen haben, und ist überzeugt vom strategischen Denken der Deutschen. Die Leute hier haben die absonderlichsten Gründe, zu Deutschland zu halten. Eine andere Frau hat einen Sohn in Spanien (und spricht mit Akzent). All diese Frauen machen Lärm. Die Spanien-Stimme ruft “go, go, go” und “right there”,…

Hat noch jemand Hunger?

Den Moment des Staunens, der mich heute überfiel, kann man nur verstehen, wenn ich bei gestern anfange. Gestern war Unabhängigkeitstag, der Geburtstag der Nation, und weil der Tag auf einen Sonntag fiel, haben viele Leute eben heute frei. Gestern galt es zu feiern. Traditionell nicht nur mit Feuerwerk, sondern auch mit einem mittäglichen Hotdog-Wettessen in Coney Island – man kann das so drehen, dass es zum Feiertag passt. Zumindest lese ich heute in einer Zeitung, die Veranstaltung zolle den beiden großen Lieben der Amerikaner Tribut: Hotdogs und Wettbewerb. Ein deutscher Einwanderer namens Charles/Karl Feldman soll…

Aftershave

Mitten auf dem schicken Markt steht ein Mann und rasiert. Seine Klinge schabt an einem Eisblock entlang. Das Ergebnis nennt er folgerichtig “Shave Ice”. Es sieht so aus wie die in New York beliebten Snow Cones – wie der Name schon sagt: Kugeln aus Schnee, der wiederum entsteht, wenn man Eis sehr fein zerkleinert, üblicherweise mit einem Eiscrusher. In beiden Fällen kommt der Geschmack aus der Sirupflasche und wird einfach oben drüber gegossen. Beim Eis am Stiel bekommt man hier etwas mehr Geschmack aus echten Früchten (und weniger Süße). Die Schlange bei der Kollegin des…