Hat noch jemand Hunger?

Den Moment des Staunens, der mich heute überfiel, kann man nur verstehen, wenn ich bei gestern anfange. Gestern war Unabhängigkeitstag, der Geburtstag der Nation, und weil der Tag auf einen Sonntag fiel, haben viele Leute eben heute frei. Gestern galt es zu feiern. Traditionell nicht nur mit Feuerwerk, sondern auch mit einem mittäglichen Hotdog-Wettessen in Coney Island – man kann das so drehen, dass es zum Feiertag passt. Zumindest lese ich heute in einer Zeitung, die Veranstaltung zolle den beiden großen Lieben der Amerikaner Tribut: Hotdogs und Wettbewerb. Ein deutscher Einwanderer namens Charles/Karl Feldman soll…

Fußballfans mit Hintergedanken

Ken war mir am Freitag schon aufgefallen. Er trägt ein Trikot der US-Mannschaft, steht am Tresen und feuert in amerikanischer Lautstärke die deutsche Mannschaft an. Nach dem Tor nutze ich die Gelegenheit, schnell aufs Klo zu verschwinden. Als ich auf dem Rückweg an Ken vorbeikomme, ruft er mir hinterher: “Ey, are you German?” Erwischt. Ich hatte mich mit zwei Touristen in meiner Muttersprache unterhalten. Ich sage Ken, dass ich mich beim letzten Mal schon gewundert habe und jetzt gerne wissen möchte: Warum hält er immer so vehement zu den Deutschen? “Weil wir nicht gegen euch…

Fast verlobt

Ein Mann wirft mir einen gequälten Blick zu. Seine Tochter nimmt gerade ein T-Shirt in Empfang und zieht trotzdem ein Regenwettergesicht. Hier sind viele Eltern mit ihren Kindern. Und viele Leute, die so aussehen, als würden sie ihr halbes Leben vor dem Fernseher verbringen (schon schaltet sich der Rohrspatz in meinem Hirn ein: Klischeealarm!). Ich bin im Nokia Theatre am Times Square. Die Bühne ist längst umgebaut, eine Showtreppe wartet auf den Star, aber Adam Lambert lässt sich Zeit. Vor mir zickt aufgedonnerter Jüngling mit T-Shirt über Netzhemd seinen Begleiter an, der kurz darauf mit…

Alles Ehrenbürger

Ganz brav stehen wir hier an, nur um ganz kurz über den roten Teppich zu schreiten. Und dann dürfen wir an den Tisch treten, einander gegenüber, uns in die Augen schauen, die feierlichen Worte sprechen und den rituellen Tausch vornehmen. Reggie und ich kennen uns erst seit ungefähr einer halben Stunde. Man muss ja nicht gleich heiraten, wir haben keine Ringe getauscht. Aber die Schlüssel. Nicht die zu unseren Wohnungen, sondern gleich für die ganze Stadt. Das ist Teil des Projekts “Key to the City”  des Künstlers Paul Ramírez Jonas (der übrigens auch schon Ähnliches…

Woher der Humor kommt

Hier sind sie aufgewachsen. Es hängt kein Schild an der Seite, wie zum Beispiel an dem Townhouse weiter südlich, das Andy Warhol sich kaufte, als er cool genug war, um in eine schicke Gegend zu ziehen. Sie waren nicht cool, sondern Kinder, und arm obendrein. Mutter aus Ostfriesland, Vater aus dem Elsass, was soll da aus den Jungs werden im Amerika der Jahrhundertwende? Die Marx Brothers. Ganz in der Nähe hat der olle Carnegie sich ein Herrenhaus gebaut. Darin ist heute ein Design Museum (das Cooper-Hewitt) untergebracht. Bei den Marx-Brüdern dagegen kann man immer noch…

Wunderland

Ich bin in keinen Brunnen gefallen und muss durch keinen Tunnel kriechen. Aber ich finde mich in Situationen wieder, die mir niemand als sonderlich wahrscheinlich vorausgesagt hätte. Und sie alle haben mit Begegnungen zu tun. Und mit Alice im Wunderland. Der Reigen beginnt bei Alice’s Tea Cup, einem Café im Alice in Wonderland-Stil. Mit märchenhaften Kleidchen an der Wand und durchscheinenden Schmetterlingen unter der Decke. Und mit anständigem Tee. Dort treffe ich Mone. Ich kenne sie nicht, sie kennt mich nicht, und den Kontakt zwischen uns hat jemand hergestellt, den weder Mone noch ich je…