Auf den sozialen Netzwerken zieht eine Blumenschau an mir vorbei. Blühen bei euch wirklich schon die Bäume? In New York zeigen sich zwar Knospen an den Astspitzen, aber sie ballen sich so fest zusammen, als würde die Flora uns die Daumen drücken.
Ungeduldig wartet New York auf den Frühling. Meistens dauert er nur ein paar Tage. Zwischen Winter und Sommer liegt ein Kippschalter, da muss nur ein federleichtes Vögelchen dranpicken, schon wird es schwülheiß. Das ist durchaus praktisch, was die Garderobe betrifft. Wir haben kein Wort für “Übergangsjacke”. Aber wir haben Sehnsucht nach Grünzeug und bunten Blümchen.
Das haben natürlich die Leute erkannt, die uns etwas verkaufen wollen. Schön sollen wir es haben, das lockert den Geldbeutel. Wenn die eine Sehnsucht erfüllt wird, kann man ja gleich weitermachen. Und zum Beispiel die passende Garderobe dazu kaufen. Ich traue mich nicht nachzugucken, ob Macy’s eine Abteilung für Übergangsjacken hat. Ich will mir nicht die Frühlingslaune damit verderben.
Macy’s macht das nämlich, das Frühlingherholen. Mit einer alljährlichen Blumenschau. Die Macy’s Flower Show füllt das Kaufhaus mit Grünzeug, als ob die Gänge nicht ohnehin schon voll wären mit Leuten, die verzweifelt versuchen, den Gerüchen der Kosmetikabteilung zu entkommen.
Jetzt geht es langsamer voran, mit Kamera vorneweg, Blumen im Kaufhaus fotografieren. Vor mir quasselt eine rotgewandete Dame in französisch in ihr Vertical-Video-Handy.
Das mache ich natürlich auch nicht viel anders. Ich würde zwar niemals ein Hochkant-Video machen, aber ich bin auch zum Dokumentieren hier. Weg da, ich mach Fotos! Oh, ach so, ja klar kann ich ein Foto von Ihnen machen.
(Randnotiz: Geht das eigentlich nur mir so? Ständig fragen mich Touristen, ob ich sie mal eben fotografieren könnte. Ich sage immer ja.)
Als Flower Show-Veteranin bin ich ein bisschen enttäuscht. Das Center Piece ist zwar ganz hübsch, aber es ist inzwischen kein Wettbewerb mehr. Früher einmal stand an dieser Stelle eine Riesenvase, die alle paar Tage neu bestückt wurde, von Floristen, die ihre Arbeit als Kunst oder Design oder Architektur verstehen und dafür auch Kundschaft finden. Kreise, in denen ich nicht verkehre. War immer schön, mal zu sehen, wofür Millionärinnen ihre Peanuts ausgeben.
Jetzt steht da ein geblümtes Karussell, an dem irgendwas von der Geschichte der Karussells steht, zu Bildungszwecken, nehme ich an. Kirmes ist das Motto der diesjährigen Blumenschau, deshalb dürfen die Ranken und Blüten und Palmwedel auch in Karussellpferden, Autoscootern und nostalgieschweren Kartenhäuschen Wurzeln schlagen. Bis die Kirmes weiterzieht.
Aber jetzt ist erst mal Eröffnung. Herrrreinspaziert! Frauen in Zirkus- und Varietékostümen staksen auf Stelzen durch die Menge und verteilen Gutscheine. Oder Prospekte.
An den Pflanzen steht wie jedes Jahr alle Nase lang, man solle sie bitte nicht anfassen. Weitere Schilder verraten, welche exotische Superblumensorte dies oder das nun ist. Im Blumenladen finde ich die dann aber nie, da mache ich keine Notizen mehr.
Der Zirkus gibt sich rührend Mühe, hölzern und bunt an Coney Island anno tuck zu erinnern. Was war das schön, als wir noch staunen mochten. Und das kontrastiert so schön mit der gleißenden Leuchtwerbung.
Und dann merke ich mal wieder, welche Vorzüge es hat, touristinnengleich durchs Kaufhaus zu laufen, allein auf schöne Fotomotive für später konzentriert. Als ich nämlich um das gelbe Karussell herumschleiche bei dem Versuch, eins der seltsamen Pferde (da ist auch eins, das eigentlich ein Osterhase zu sein scheint?) mit ins Bild zu kriegen, fällt mein Blick auf etwas, das mir sonst wohl kaum aufgefallen wäre.
Das sieht so aus, als müsste ich bezahlen, um hier herauszukommen. Den Gesichtsausdrücken mancher Menschen weiter drinnen nach zu urteilen würde die eine oder andere das vielleicht sogar tun.
Macy’s Flower Show, bis 9. April 2017, Macy’s, 151 West 34th Street (Herald Square), Details auf der Website.
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