Quadratmeterzahlen sind in New York denjenigen vorbehalten, die auf großem Fuß leben. Wir anderen haben keine Ansammlung von Zahlen, sondern ein einziges Wort für die Wohnungsgröße: Schuhkarton. “Ich wohne in einem Puppenhaus” klänge viel schöner.

Aber nein, da sind die New Yorker mal wieder direkt: So eine Wohnung ist nicht niedlich, sie erfüllt einen Zweck. Und mehr ist beim besten Willen nicht drin. Das war es jedenfalls – bis die Marketingfritzen der Immobilienbranche mal wieder eine ihrer Ideen hatten.

Mikro-Wohnungen in New York

“Microunits” und “Micro Suites”! Letzteres ist – ebenso wie “communal living” einer der Namen für Studentenwohnheime für Leute, die gar keine Studenten mehr sind. Küche und Bad teilt man sich mit Mitbewohnern, die man nicht selbst ausgesucht hat, sondern die eben auch ein Zimmer da haben, wo man wohnt.

Das kostet zum Beispiel 1800 Dollar im Monat – und man bekommt 18 Mitbewohner gratis dazu! Diese Micro Suites machten vor ein paar Monaten in New York Furore. Oder verursachten Furor. Wie man’s nimmt.

Die Microunits wiederum sind Apartment-Winzlinge. Sie gehen auf einen Vorstoß der Immobilienbranche zurück, die seit den 1980ern bestehende gesetzliche Mindestgrenze für Wohnungen in New York wieder zu unterschreiten. 400 square feet (ca. 37 Quadratmeter) sind ja nun auch großzügig. Die Befürworter locken die Stadtpolitiker damit, dass man mit kleineren Wohnungen ruck, zuck die Wohnungsnot beseitigt hätte. Dabei lassen sie ein wichtiges Wort gepflegt aus: In New York fehlen bezahlbare Wohnungen.

In den Microunits steigt man mit 2000 Dollar Miete ein. Es sei denn, man hat in der Lotterie für die “erschwinglichen” Unter-37-Quadratmeter-Wohnungen in diesem Haus gewonnen, die mit knapp 1000 Dollar anfangen, je nach Einkommen – auf die 14 Wohnungen, die dafür beiseitegestellt wurden, haben sich mehr als 60.000 New Yorker beworben. Wie die Testwohnungen eingerichtet wurden, hat das New York Magazin vor kurzem gezeigt.

Ein Puppenhaus ist auch keine Lösung

Und ehe ihr jetzt aufschreit: Ha, paradox, so winzige Buden können doch auf gar keinen Fall so schick sein, dass sie diese Penunzen wert wären … tja. Das hab ich bis heute auch gedacht. Und dann lernte ich die Luxusminiaturwelt kennen. Mit diesem – ähem – Puppenhaus.

Puppenhaus in New York

Eigentlich ist das gar kein Puppenhaus. Es ist ein ganzes Schloss!

Astolat Dollhouse Castle

Und jetzt ratet mal, was es wert ist? Kleiner Tipp: Mit den Mietpreisen für die Micro-Wohnungen kommt ihr da nicht aus. Auch nicht, wenn ihr ein paar Jahre lang diese Mieten bezahlt. Das Astolat Dollhouse Castle ist Schätzungen zufolge acht einhalb Millionen Dollar wert.

Puppenhaus mit Eisbärenfell

Dafür liegt dann da auch ein Eisbärenfell im Schlafzimmer. Na ja, in einem der 29 Zimmer des Hauses.

Astolat Dollhouse Castle

Seht ihr den Kronleuchter? Der verdient seinen Namen. Er ist aus Gold. Der Boden ist handgeschnitztes Parkett, und die Kamine … funktionieren.

Klo in der Puppenstube

“They say they have working plumbing”, sagt die Dame neben mir. Klopapier hängt ja schon mal da, und inzwischen halte ich es für durchaus möglich, dass in dieser Puppenstube Wasser fließt, wenn man an der Strippe zieht.

Die Dame hat selbst auch ein Puppenhaus und Ahnung. Sie schaut bei den Auktionen auch immer nach Sachen wie jenen, die an einer Seite ausgestellt sind – sie werden bald versteigert.

Die kleinste Thora der Welt?

Davon erfährt sie zum Beispiel aus der Zeitschrift für Dollhouses. Jeder hat Freude an Puppenhäusern, auch die Männer, frohlockt sie, und wenn ich sie etwas frage und sie mir dann eins der Puppenhausgeheimnisse verrät, legt sie eine Hand auf meinen Unterarm. Irrsinnig lange rote Fingernägel ruhen dann für einen Moment auf meiner Jacke, und ich frage nicht, wie man damit winzige Gläser auf den Puppentisch stellt.

Cocktailstunde im Puppenhaus

Nun ja, dies ist ja gar nicht ihr Puppenhaus. Aber sie hat schon bei einer Töpferin gekauft, die inzwischen nur noch Miniaturen produziert – mit einer Töpferscheibe, ruft die Dame. Faszinierend!, rufe ich. Und ich meine es auch so. Nicht dass mir jetzt jemand ein Puppenhaus baut. Ich fasziniere mich lieber aus der Distanz.

Warum Puppenhäuser uns wohl so sehr gefallen, fragt die Dame, mehr so rhetorisch. Vielleicht, weil wir darin alles perfekt haben können? Ich nicke gehorsam. Und füge den Dreck hinzu. Also dass da eben niemand mit dreckigen Schuhen über den Miniteppich latscht. Die Dame lacht anerkennend. Ich würde sicher schnell zu einer guten Miniatur-Expertin, meint sie.

Und dann deute ich auf das Untergeschoss. Wegen der Sache mit dem Dreck. Im Puppenschloss haben sie offenbar auch daran gedacht: Für alle Fälle gibt es dort Personal. Selbstverständlich mit eigenen Räumlichkeiten.

Puppenschloss

 

Das Astolat Dollhouse Castle geht auf eine Idee der Miniatur-Designerin Elaine Diehl zurück und befindet sich in Privatbesitz.