Auf meinem Einkaufszettel stehen Äpfel, und da sehe ich ein Problem. Zwischen mir und den knallgrünen Granny Smith steht jemand im Weg. “May I?”, frage ich und zögere. Da liegt zwar genau das, was meinem Apfelkuchen noch fehlt. Greife ich aber zu, mache ich die Arbeit des Mannes zunichte.
Er bemerkt meine innere Zerrissenheit offenbar in Sekundenbruchteilen. Er habe noch mehr, sagt er, deutet auf die Kiste hinter sich und setzt hinzu: “If you don’t mind”. Umso besser, denke ich. Während der Mann weiter die Vorderreihe des ordentlich aufgebauten Apfelstapels auffüllt, suche ich mir drei schöne Äpfel aus, und der Mann schenkt mir noch ein strahlendes Lächeln hinzu. Ich habe ihm Arbeit gespart. Das lückenlose grüne Apfelmeer sieht zum Anbeißen aus. Auch wenn es oft alles andere als frisch ist.
Fotogene Abteilung im New Yorker Supermarkt: Gemüse und Obst
Wer glaubt, Amerikaner seien erstens Fastfood-süchtige Esskulturbanausen und äßen zweitens nichts als Fleischberge, der sollte New Yorker Supermärkte auf die Sightseeing-Liste setzen. Mein freundlicher Apfelmann ist nämlich kein stadtbekannter Exzentriker, sondern geht einem ganz normalen Job nach: Er sorgt dafür, dass Obst und Gemüse im Supermarkt aussehen, als fände gerade ein Instagram-Fotoshooting statt.
In erstaunlich vielen New Yorker Supermärkten ist die Gemüseabteilung ein Augenschmaus. Da strahlen mich Möhren im Halbkreis an und Brokkoli recken mir ihre Krönchen entgegen. Mangoldbünde stehen hochkant stramm, Selleriestängel legen sich quer – der Optik wegen.
Ab und zu darf auch mal jemand aus der Obst- und Gemüsefamilie ins Körbchen. Und weil Überfluss besonders hübsch ausschaut, dekorieren emsige Hände gleich noch, als würden hier Vitamine wie Glückshormone ausgeschüttet.
Solcherlei Gemüseordnung leisten sich auch Läden, die ansonsten nicht sonderlich viel aufs Ambiente geben. Selbst wenn die immer aufs Neue gewässerten Auslagen in dem hektischen Supermarkt, den ich heimlich Heart Attack nenne, mein Vertrauen fordern (als einmal die Kühlung ausgefallen war, sah ich, wie es unten drin ausschaut): Pastinaken, Lauch und Frühlingszwiebeln legen die emsigen Einräumer stets mit derselben Seite nach vorn ins Regal.
Fürs Durcheinander sorgen dann Kundinnen wie ich, die unbedingt eine kleinere Pastinake und Porreestange haben möchten – von ziemlich weit unten im Stapel.
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