In New York gibt es alles außer Platz. Und Mittelmäßigkeit duldet die Stadt auch nicht lange. Das mag der Grund dafür sein, warum kaum eine Touristin nach ihrem ersten Besuch die Mitte der Skala zwischen “I LOVE NY!!!!” und “Geh mir wech mit New York!” ankreuzen würde. New Yorker wiederum entwickeln eine Beziehung zu ihrer Stadt, die schnell mal als Arroganz durchgehen kann. Das schlägt sich auch in New York-Zitaten aus ganz verschiedenen Zeiten nieder.

Irving Berlin (1888-1989) war ein Einwandererkind, das zu einem der berühmtesten Komponisten seiner Zeit heranwuchs. Schon mal von einem Song namens “White Christmas” gehört? Er lebte in New York und wünschte Leuten anderswo auch ein Stück der Stadt:

Everybody ought to have a Lower East Side in their life.

Der Erzähler Sherwood Anderson (1876-1941; seine Romane heißen u.a. “Dunkles Lachen” und “Der arme Weiße”) hingegen wohnte nicht in New York, sondern unter anderem in Cleveland (Ohio), Chicago, Paris (Frankreich) und einem Dorf in Virginia. Sein New York-Zitat klingt ein kleines bisschen ironisch – demzufolge kann man ein bisschen provinziell, tot und ängstlich werden, wenn man der Stadt zu lange fernbleibt.

I think you know that when an American stays away from New York too long something happens to him. Perhaps he becomes a little provincial, a little dead and afraid.

Also doch besser umziehen? Die Autorin von “Relocating to New York and Surrounding Areas” (2000), Ellen R. Shapiro, stellt eine einzige Regel auf, die befolgen muss, wer eine echte New Yorkerin werden will: einfach fest daran glauben, dass die Stadt der Nabel der Welt ist.

If you want to become a real New Yorker, there’s only one rule: You have to believe New York is, has been, and always will be the greatest city on earth. The center of the universe.

Einige Menschen, die in New York geboren sind, widersprechen solchen Ideen. Sie strahlen aus: Du bist hier geboren, oder du bist keine New Yorkerin. Punktum. Eingewanderte, vor allem diejenigen, die schon länger in New York sind, verbreiten dagegen schon mal die Idee, dass man nach zehn Jahren dazugehört. Der vor zwei Monaten verstorbene Schriftsteller Tom Wolfe hat zwar mit “Fegefeuer der Eitelkeiten” (1987) eins der New York-Vorzeigebücher der Dekade geschrieben, war aber ein Zugezogener. Und zwar einer, der es sich mit dem Dazugehören einfach macht:

One belongs to New York instantly, one belongs to it as much in five minutes as in five years.

Ob er ein echter New Yorker ist oder nicht, scheint für den Diplomatensohn Ted Morgan (geboren 1932 in Genf) nicht die wichtigste Frage gewesen zu sein. Er stammt aus französischem Adel, hieß eigentlich Comte de Gramont, und verzichtete bei der Einbürgerung auf seinen Titel – sein amerikanischer Name ist ein Anagramm. Der Pulitzerpreisträger (1961 für einen Artikel über den Bühnentod des Baritons Leonard Warren in der Metropolitan Opera) sieht im alten Europa ebenso Nachteile wie in New York: In Rom belastet ihn die Trägheit einer verblühten Zivilisation, in New York durchfährt ihn ein Wechselstrom aus Hoffnung und Verzweiflung.

In Rome I am weighted down by a lack of momentum, the inertia of a spent civilization. In New York I feel plugged into a strong alternating current of hope and despair.

Städtevergleiche ziehen auch echte, also hier geborene und aufgewachsene New Yorkerinnen von heute gerne – dabei kommt alles außerhalb der Stadtgrenzen allerdings oft so schlecht weg wie in diesem New York-Zitat der Musikerin Lady Gaga (geboren 1986). In Los Angeles bemäkelt sie insbesondere die Menschen – und findet krasse Worte für ihr Loblied auf die New Yorker Arbeitsmoral.

I don’t like Los Angeles. The people are awful and terribly shallow, and everybody wants to be famous but nobody wants to play the game. I’m from New York. I will kill to get what I need.

Jane Borden (geboren 1977) hingegen nimmt die Welt meist mit Humor. Sie hat für “Saturday Night Live” geschrieben und war eine ganze Weile lang Comedy-Redakteurin bei “Time Out New York”, betrachtet sich aber nur als Teilzeit-Comedian. Ihr New York-Zitat klingt allerdings gar nicht lustig. Es nimmt die Zumutungen der Stadt aufs Korn – inklusive der Touristikfolgen:

The city is an amusement park: Everything is concrete, it’s full of tourists, and food vendors line the sidewalks. It’s like living in a casino: The lights never dim, there’s an incessant din of bells and horns, and there’s always someone, somewhere, crying in a bathroom.

Solch ein Dasein ist natürlich nix für jeden Menschen! Der Schriftsteller John Updike (1932-2009) verbrachte nur einen sehr, sehr kleinen Teil seiner Karriere in New York. Aber sein Zitat versöhnt mit seinem Sarkasmus vielleicht diejenigen von euch, die ein bisschen traurig darüber sind, keine echten New Yorker(innen) zu sein.

The true New Yorker secretly believes that people living anywhere else have to be, in some sense, kidding.

(Übersetzt: Insgeheim glauben die wahren New Yorker, dass jeder, der woanders lebt, das irgendwie als Witz meint.)