Fast das ganze Jahr lang, das ja immerhin schon ein paar Wochen dauert, fehlt Streusalz in New York. Zuletzt konnte ein Schiff nicht liefern, und die Lokalnachrichten melden von Salzraub mit vorgehaltener Waffe in Pennsylvania. Darüber schüttle ich den Kopf ebenso wie über ein Luxusproblem, das ich offenbar mit so manchem New Yorker teile: Salzüberfluss.

Ich fühle, wie sich meine Socken langsam mit Eiswasser vollsaugen. Dafür sorgt ein tiefes Loch in diesem Stiefel, wie eine nicht weiter aufwändige Untersuchung zeigt:

 

Kaputte Stiefelsohle - typisch New York!

 

Das ist bereits das zweite Paar Winterstiefel mit kaputter Sohle binnen weniger Tage. Der Schuster wirft nur einen kurzen Blick drauf und sagt müde: “Das sehe ich im Moment ständig.” Wir beide haben denselben Übeltäter in Verdacht: Das ganze Salz und Granulat auf den Gehwegen und Straßen.

Das Zeug ist zwar immer noch eine bessere Laufunterlage als die Passagen mit festgetretenem, dreimal übefrorenen Schnee, es knirscht aber unter den Sohlen und macht Ränder aus einem Glitzerzeug, das irgendwie gefährlich bissig aussieht.

Ich denke darüber nach, mir Stiefel für Chemiewerkarbeiter zu besorgen, mag den Winter aber trotzdem. Das weiße Zeug sieht aus der warmen Stube heraus so schön aus, und was man damit so alles anstellen kann!

 

Schneeberg mit roten Lichtern in New York

 

Der Schuster liest meine Gedanken nicht. Er schaut nach draußen, wo leichtes Tauwetter Sturzbäche in Gang setzt, und fügt hinzu: “Ich kann Ihnen das heute noch reparieren. Haben Sie den Wetterbericht gehört? Das sind ja schön warme Stiefel, die brauchen Sie morgen.”