Oha. So ist das also. Oder? Das Private ist alles öffentlich, sagt der Kerl, und wir sollen uns nicht so anstellen. Dabei stellen sich die wenigsten Leute deswegen an. Sie füllen Gewinnspielformulare aus, stellen Partyfotos auf Facebook, lassen ihr Telefon den Schlaf überwachen, verteilen ihr halbes Leben auf diverse Google-Services und sagen: Ich hab doch nix zu verbergen. Allerdings haben auch die wenigsten was zu verschenken, vor allen im New York. Und im Glass Room hat man ganz schnell raus, dass man jeden Moment in der Onlinewelt mehr rausrückt, als einem gewahr ist.
Wenn ich nicht zahle, bin ich das Produkt, erfahre ich im Glass Room.
Ich! Ein Produkt? Zum Kaufen? Das wüsste ich ja wohl! Ach nee, doch nicht, merke ich schnell, als ich ein buntes Riesendings anschaue mit dem Firmenimperium von Alphabet. Oder lerne, dass die Daten der Volkszählung in den USA 2000 und 2010 von der Rüstungsfirma Lockheed Martin erhoben und verarbeitet wurden. Der Horror hätte zu Halloween besser gepasst als zur Adventszeit.
Hätte, hätte, Fahrradkette (keine Bange, die kriegt nachher auch noch eine tragende Rolle): Panik muss in der Glass Room-Ausstellung draußenbleiben. Ein ungutes Gefühl darf zwar um so manches der rund 50 Ausstellungsstücke herumwabern, aber es kriegt Gegengewichte. Manchmal kommen gemischte Gefühle dabei heraus. Wie geht es euch denn zum Beispiel hiermit:
Das ist keine dystopische Kunst. Dieser Teil der Ausstellung zeigt, was Technikfirmen in den USA so alles drauf haben. Zum Beispiel aus einer DNS-Probe ein Phantombild erstellen. “CSI”-Ermittlerfiguren könnten damit die Bösen jagen. Und die finsteren Figuren der Weltgeschichte könnten damit … Ich kannte mal eine, die sagte in solchen Fällen immer: Das darf man gar nicht denken.
Darf man aber doch. Und im Glass Room soll man das sogar.
Meine Daten gehören mir! Oder so ähnlich.
Hinter der Ausstellung steckt Tactical Tech, eine Berliner Organisation, die seit 2003 die soziale und politische Seite von Technologie untersucht. In New York stellt sie nicht nur den Glass Room aus (der im übrigen von draußen wie ein strahlend weißer Gadget-Laden wirkt), sondern veranstaltet auch jede Menge Workshops.
Da geht es in vielen Facetten darum, welche Informationen man beim simplen Telefon-mit-sich-herumtragen oder im-Internet-suchen über sich preisgibt, wen so ein Datenschatten interessiert – und welche Möglichkeiten es gibt, die Spur zu verwischen, das Datensammeln einzuschränken, zu erschweren, zum Teil sogar ganz zu unterbinden.
Zack, klingt’s paranoid.
Aber die Workshopleiterinnen kriegen ebenso die Kurve wie die Ausstellungskuratoren. Schon mal über Datenschutztaktiken gelacht? Ich inzwischen schon. Und zwar minus Sarkasmus.
Der Spieß lässt sich nämlich umdrehen. Mimi Onuoha zum Beispiel stellt mit ihrem Project “The Library of Missing Data Sets” die Frage, welche Daten wir nicht kennen, aber vielleicht kennen sollten.
Zum Schmunzeln bringt mich die Taktik, den unstillbaren Datendurst einfach mal überzuerfüllen – und damit für Verwirrung zu sorgen. Und die mannigfaltigen Ideen, wie sich ein Fitnessdatensammelgerät in die Irre führen lässt, sind einen Extrablick wert.
Da sind wir dann auch bei der Fahrradkette angelangt. So ein Schrittmessfunkarmband kann man in die Speichen hängen, das Auf und Nieder gefällt ihm gar sehr, habe ich den Eindruck.
The Glass Room NYC, noch bis 18.12.2016, 201 Mulberry Street, Details (und Workshops) auf der Website.
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