In New York kann ich mich vor Denkanstößen für die “Wie wollen wir leben?”-Frage kaum retten, will ich ja auch gar nicht. Da schau her, wie es wohl mit dem Mindestlohn vorangeht (aktueller Slogan: “Fight for 15”), dort, wie New York mit dem allsommerlichen Anstieg von Gewaltverbrechen umgeht (mehr Polizisten). Aber der wahre Aufreger dieser Tage sind: Erbsen.
Ja, ganz recht: Erbsen. Die grünen Kügelchen, die im Moment noch samt Hülsen auf den New Yorker Märkten zu finden sind. Ihretwegen wurde sogar der Präsident eingespannt.
Hatte doch die New York Times letzte Woche verlauten lassen, man solle Erbsen in die Guacamole geben, das wäre wirklich ganz toll. Tja. Das kam bei den meisten Menschen in der Stadt – und bald darauf im ganzen Land – so an, als hätte die Zeitung verlangt, Kaffee mit Spülwasser zu brühen. Na ja gut, der Vergleich hinkt vielleicht. Die Kaffeequalität in New York ist nämlich auch so ein Thema.
Jedenfalls: Guacamole. Kennt ihr, oder? Das ist ein grüner Dip aus Mexiko, den die US-Snackfreunde so lieben, dass es beinahe ihren Nationalstolz verletzt, wenn wer das Rezept verändert – obwohl so manche Nachos mit einer ganz schön chemisch daherschmeckenden Dreingabe auf den Tisch kommen. Hauptsache keine Erbsen, Farbe hin, Farbe her.
Nach Puristenansicht gehören nur vier Zutaten in die “Guac”: Avocado, Salz, Limettensaft, Koriander. Vielleicht noch was Scharfes, also Chili, Pfeffer, Knoblauch oder Zwiebeln (oder eine Kombination). Der Präsident sieht das übrigens auch so.
Und jetzt überlege ich, um welches eingedeutschte Gericht die “Zeit” oder der “Spiegel” mit einem einzigen Rezept auch einen solchen Streit aufs Gourmettischtuch kleckern könnte. Fisch-Döner? Pizzabrötchen mit Korianderbutter? Sachertorte mit Nutella?
Uschi aus Aachen
Juli 7
*grins*
ute
Juli 7
Im Ernst? Hi hi.
Sachertorte ist ja ein österreichisches Kulturgut und ich kann mir vorstellen, dass die Österreicher da auch sehr empfindlich wären. Die Deutschen … hm, das kann ich mir nicht vorstellen und wüsste auch nicht für was. Mir kam da letztlich ein Artikel unter über den Verlust der Identität in der deutschen Ernährung – oder so ähnlich. Suche ich bei Gelegenheit nochmal raus, wenn es dich interessiert.
Petrina Engelke
Juli 7
Der Artikel klingt interessant – was es nicht alles gibt!
Guacamole ist ja gar keine US-Erfindung, deshalb habe ich für Deutschland auch über Esskultur-Importe nachgedacht. Jetzt fällt mir ein: Tsatsiki käme einem deutschen Guacamole-Pendant am nächsten! Aber das ist ja wohl gerade nix, wozu man Frau Merkel befragte. ;-)
Ute
Juli 8
Stimmt, das ist ja das irre an dem Erbsen(zähler) Ding. Wenn es um Truthahn gegangen wäre … ;)
Ute
Juli 10
So, habe endlich den Artikel gefunden. Es geht da gar nicht so sehr um die Deutsche Esskultur wie ich dachte, ist aber trotzdem sehr interessant.
http://www.biorama.eu/marin-trenk-iv/
Petrina Engelke
Juli 10
Danke, liebe Ute – in der Tat sehr interessant. Das macht mir Lust drauf, mal wieder über das hiesige Gemüseangebot zu schreiben und dabei zu schauen, welche kulturelle Reise es schon hinter sich hat. Ich vermisse in New York übrigens in der Tat das Kaffee-und-Kuchen-Ritual!