Feuer, Krawall, Plünderungen: So sehen die Bilder aus New York, Washington, Minneapolis aus, ne? Was mir in den Berichten fehlt, ist nicht nur die (überwiegend) friedliche Seite der Proteste gegen rassistisch motivierte Polizeigewalt, sondern mir fehlen da auch die Inhalte der Kundgebungen. Also die konkreten Forderungen und erst recht die Lösungsansätze. Die gibt es nämlich schon längst.

Über diese Hintergründe der Proteste habe ich eine Folge bei meinem Podcast “Notizen aus Amerika” gemacht, die könnt ihr auf dem iPhone oder Android hören oder bei Spotify oder podcast.de oder wo es euch gefällt … oder gleich hier:

Drüben bei Notizen aus Amerika gibt es obendrein noch viele weiterführende Links mit englischsprachigen Infos zum Thema.

Aber zurück nach New York. Das Foto da oben mit dem Polizeiwagen voller Spathyphyllum-Pflanzen – auf Englisch heißen sie Peace Lily, wörtlich also Friedenslilie – habe ich vergangenes Jahr bei einer Informationsveranstaltung über diverse Initiativen für Gerechtigkeit gemacht. Eben noch waren wir die Welthauptstadt der Vielfalt, so bunt, so viele Sprachen, so viele ganz verschiedene Menschen auf engstem Raum, und das funktioniert. Und jetzt, wo alle möglichen Menschen auf die Straße gehen, um für unsere Grundrechte, für Menschenrechte einzutreten, da sieht das Bild auf einmal anders aus?

Ausgerechnet in diesem Moment in der Geschichte, wo das Verhalten der Polizei im Fokus und auf dem Prüfstand steht und Tausende jeden Tag in New York gegen Polizeigewalt demonstrieren, zeigt sich die New Yorker Polizei von ihrer brutalsten Seite.

Polizeichef Dermot Shea sagt dazu, die Polizei schütze die Proteste vor ominösen “Agitatoren” von außerhalb. Und Bürgermeister Bill de Blasio verkündet, seine Polizei gehe “so sanft wie möglich” vor.

Auf der anderen Seite stehen zahllose Berichte, Fotos und Videos davon, wie die ganze Woche lang jeden Abend die Polizei mit Gewalt auf friedliche Demonstrant*innen losgeht.

New York hat seit Anfang der Woche eine Ausgangssperre ab 20 Uhr abends. Die Demonstrationen beginnen meist schon mittags und ziehen sich über den Tag. Auch abends bleiben viele. Und dann hat die Polizei einen Grund für Verweise oder Festnahmen, klar. Was nicht einleuchtet: systematisch Leute am Nachhausegehen zu hindern. Oder noch viel Fragwürdigeres.

Polizist*innen haben friedliche Demonstrant*innen in New York die ganze Woche lang mit Pfefferspray beschossen. Polizist*innen benutzen nicht nur Knüppel, sondern auch ihre Dienstfahrräder, um Menschen zu verletzen, darunter Anwohner*innen und Fahrradpizzabot*innen, Politikeri*nnen, Sanitäter*innen und Reporter*innen. Polizeiwagen fahren in eine Menge. Protestgruppen werden durch die Stadt getrieben, sie werden von allen Seiten eingekesselt und dann aufeinandergequetscht, zusammengeknüppelt, festgenommen.

Reporter*innen von namhaften Medien bestätigen dieses Vorgehen der New Yorker Polizei – und setzen noch eins drauf: Pressevertreter*innen werden immer wieder daran gehindert, brutale Vorstöße der Polizei oder Festnahmen zu dokumentieren.

Für all das muss sich die Polizeiführung verantworten. Zuletzt lautet die offizielle Begründung für das brutale Vorgehen, es habe “Gefahr im Verzug” bestanden, weil gefährliche Unbekannte von außerhalb dahingekommen seien. Gleichzeitig nahm die Polizei aber gezielt Köpfe aus lokalen Organisationen fest, die sie bestens kannte – weil sie sich seit Jahren gegen Polizeigewalt einsetzen. Einen ausführlichen Bericht darüber könnt ihr beim Gothamist nachlesen.

Selbst der New Yorker Rechnungsprüfer Scott Stringer kritisiert nun Polizei und Bürgermeister aufs Schärfste. Er setzt sich für ein sofortiges Ende der Ausgangssperre ein – und verlangt, den Haushalt der Polizei um mehr als eine Milliarde Dollar zu kürzen. Die NYPD bekommt derzeit 5,9 Milliarden Dollar im Jahr.

Schon zuvor hatte Stringer die Stadtverwaltung angegriffen. Nachdem der Bürgermeister auf Nachfragen von Journalist*innen eine ganze Weile lang jegliches Fehlverhalten von Seiten der Polizei geleugnet hatte, sagte Stringer: “Von der Polizei zusammengeprügelt zu werden ist ganz sicher nicht die Strafe dafür, nach Beginn der Ausgangssperre draußen zu sein. Dass der Bürgermeister diese Videos nicht angeschaut hat, ist nicht bloß ignorant, sondern eine absolute Blamage.”