New York hat keine Innenstadt.

Von ganz tief unten kommt dieser Satz hervor, aus einem Stapel Erkenntnisse aus der irrsten Stadt der Welt. Unterwegs scheucht er Gedanken auf, bringt alles durcheinander, was obendrauf lag und nun wie Herbstlaub durch mein Oberstübchen segelt. Blätter voller Freiheitsstatuen und Weltkugeln und Berliner Mauerplatten, die alle irgendwo in New York herumstehen, mehrfach sogar, wie oft noch gleich? Jetzt muss ich nachzählen gehen. Und alles nur, weil mein Verleger mich um etwas bat.

Ehe mein New York-Buch in der Druckerei verschwindet, damit es Ende Oktober erscheinen kann (yay!), gibt es noch etwas zu erledigen: den Innenteil. Ich meine jetzt nicht die ganzen Seiten zwischen den Buchdeckeln – wie ich die längst vollgeschrieben habe, könnt ihr hier nachlesen. Nein, außer einem Titelbild und einem Inhaltsverzeichnis gibt es noch was, das die meisten Reiseführer gemeinsam haben, und es sitzt meist sogar genau zwischen beiden: eine Karte.

Was muss unbedingt auf die New York-Karte?

Ich finde es spannend, so viel wie möglich vom Büchermachen zu lernen, und zwar, indem ich es selbermache oder zumindest mithelfe. Und mein Verleger, Matthias Walter vom Conbook Verlag, lädt mich dazu ein, wo immer es geht. Deshalb fragt er, ob ich eine Liste mit wichtigen Orten schicken mag, die dann auf der Umschlagseitenkarte markiert werden. Das kann ja nicht so schwer sein.

Außerdem fragt er, ob ich der Illustratorin einen ungefähren Ausschnitt zeigen kann, was sie von New York zeigen soll. Weil mein Buch in einer Serie erscheint, nämlich bei den Stadt-Ausgaben der Fettnäpfchenführer-Reihe, gibt es dafür Beispiele. Und in diesem Zusammenhang fällt das Wort, das meinen Erkenntnisstapel zum Einsturz bringt: Innenstadt. In den meisten Reiseführern gibt es Innenstadtpläne. Aber New York, so schreibe ich zurück, hat ja gar keine Innenstadt. Haha! Das schreibe ich dahin, ohne groß nachzudenken. Und da habe ich den Salat.

Ein Stadtplan von New York

Ist euch schon mal irgendwas an New York-Karten aufgefallen? Nee, anders. Stellt euch doch mal eben Manhattan vor. So ungefähr, nur die Umrisse. Dabei kommt eine Insel heraus, lang und schmal. Schick, was? Das Problem daran ist mir schnell aufgefallen.

Schon frage ich nach, ob der Stadtplan in meinem Buch denn vielleicht umkippen darf, so um 90 Grad zum Beispiel. Weil Manhattan sich als Hochformat viel besser zeigen lässt als im Querformat. Aber nichts da: New York muss sich schon an die Buchgestalt anpassen.

Hat dieser Big Apple gar keinen Kern?

Ich schaue ratsuchend auf einen Innenstadtplan von Wien – der Schwestertitel meines Buchs dreht sich um Wien – und denke: Viele Städte haben einen erkennbaren Kern. Oft umringte ihn sogar mal eine Stadtmauer, deutlicher geht’s ja wohl nicht: Da hast du deine Innenstadt!

New York hatte so etwas auch mal. Die Wall Street hat ihren Namen schließlich nicht von irgendeinem Würdenträger namens Wall (wobei: Das wäre doch eine feine Lügengeschichte, die ich im Winter erspinnen könnte!). Aber im Gegensatz zu anderen Metropolen hat sich dieser alte Stadtkern nicht über die Jahrhunderte behauptet.

Stattdessen ballen sich die Kirchturm- und Wolkenkratzerspitzen in New York an vielen Stellen, nicht nur in Manhattan. Und wenn dann zum Beispiel eine fragt, wo man denn schön shoppen gehen kann, dann heißt es nicht: Na, im Stadtkern. Sondern je nach Geschmack heißt es Soho, Madison Avenue, Herald Square, Lower East Side, Williamsburg, Fifth Avenue, Rego Park, Brookfield Place, Atlantic Terminal – und so weiter, und so fort.

Wie man einen New York-Ausschnitt wählt

New York hat keine Innenstadt, dafür aber unzählige Orte, die einen Besuch lohnen – allein im offiziellen Stadtplan der New Yorker Touristeninformation findet ihr jede Menge davon. Als ich meinen Kartenausschnitt zeichne, verabschiede ich mich wehmütig von Orten, die ich soooo gerne zeigen möchte. Aber Rockaway passt einfach nicht hinein, das Nest von Pale Male auch nicht, und der Superheldenladen müsste ja eigentlich von Haus aus überall eine Punktlandung hinkriegen, aber auf dieser New York-Karte schafft er es partout nicht.

Dabei kommt mir doch glatt eine weitere Erkenntnis: Dass New York keine Innenstadt hat, ist eine Riesenchance für Besucher. Sie sind nicht auf den Kringel innerhalb der Stadtmauergeisterschatten beschränkt, sondern sie können die Stadt unbegrenzt entdecken.

Manhattan Panorama

Dieses New York-Panorama ist übrigens im Queens Museum zu besichtigen.

Selbst zwischen Touristenattraktionen wie Times Square und One World Trade Center ist jede Menge Raum. Und wer es wagt, im Querformat zu denken, wird zum Beispiel mit der sagenhaften Aussicht vom Gantry Plaza State Park in Queens oder dem unterirdischen New York Transit Museum in Brooklyn belohnt.

Urlaub in New York: Bloß nichts verpassen!

Die Kehrseite der Medaille: Ohne Begrenzung muss man eine Wahl treffen. Selber. Und mit dem Gefühl klarkommen, dass Entscheiden immer auch heißt, etwas wegzulassen, nicht zu erleben, zu … verpassen.

Mein Tipp: Kostet genau dieses Gefühl aus. Die Angst, etwas zu verpassen, bringt euch wahrscheinlich am allernächsten an echten New Yorker Alltag heran. Wir machen das jeden Tag: Aus drölftausend schimmernden Möglichkeiten plus ebensovielen stacheligen Notwendigkeiten das aussuchen, was heute geht.

Und falls es ein Trost ist: Ich wohne seit Jahr und Tag in New York, und ich habe immer noch nicht all die Dinge gesehen, die auf meinen “Oooooh! Das klingt toll!”-Listen stehen. Die stapeln sich! Aber unterwegs, besonders wenn ich mich einfach mal durch New York treiben lasse, wachsen auch die Stapel mit den Erkenntnissen.

Irgendwo in der Nähe liegen übrigens To-Do-Listen, auf denen steht, dass ich diese ganzen Stapel mal wieder aufräumen soll.

Was ist denn für euch der Kern von New York? Und welcher eurer Lieblingsorte müsste unbedingt auf euren Stadtplan, egal wie?