North Fork-Wein

 

Das war für mich vor Jahren eine große Überraschung: In New York wächst Wein! Und nicht einfach nur irgendsoeine Plörre, sondern richtig guter Wein. Nicht dass in Manhattan die Wolkenkratzer plötzlich Weinbergen weichen müssen. Aber ganz in der Nähe gibt es ebensolche. Und die sind einen Ausflug wert.

Kalifornischen Wein habe ich schon ewig nicht mehr getrunken. Wenn amerikanisch, dann auch richtig “local”, also aus der Region. Meine beiden Lieblingsregionen sind die Finger Lakes (etwa vier bis fünf Autostunden von NYC entfernt, kann man prima mit einem Wochenendausflug verbinden und auch noch bei den Niagarafällen vorbeischauen) und die North Fork von Long Island, von Manhattan aus erreichbar binnen ca. anderthalb bis zweieinhalb Stunden mit dem Auto, Bus oder mit dem Zug.

Long Island ist die Insel, auf der sich auch Brooklyn und Queens befinden. Sie ist ganz schön lang, wie der Name ja nun einmal sagt. Und im Osten gabelt sie sich. Auf dem Südende sitzen die Hamptons, die für Millionenvillen, Surfreviere, Luxusboutiquen und Reiche-Leute-Sommergalas berühmt sind. Das Nordende, eben jene North Fork, würde ich am liebsten für mich behalten. Das ist aber natürlich auch längst touristisch erschlossen. Und zwar inklusive Wein-Touren von New York City aus.

 

Weinprobe auf der North Fork

 

Kartoffeln und Gemüse wachsen in diesem “Vorgarten” von New York City friedlich vor sich hin. Lange Jahre lang. Ungestört. Doch dann kommen Luisa und Alex Hargrave daher, buddeln den Acker um und ziehen lange Reihen mit seltsamen, knorrigen Pflanzen. 1973 gründen sie in Cutchoge den ersten kommerziellen Weinanbau auf der Northfork.

Das inspiriert so illustre Neu-Weinbauern wie eine Künstlerin und einen Koch. Die Hargraves unterdessen verkaufen Land und Reben an italienische Weinkenner, deshalb heißt diese Winery heute Castello di Borghese.

Ungefähr 70 Meilen von Manhattan entfernt frage ich mich, wie Weinprobe und Autofahren eigentlich zusammenpassen sollen. Da empfangen nämlich grüne Schilder die Autofahrer, auf denen “North Fork Wine Trail” steht. Immer wieder geht die Main Route 25 an den typisch schnurgeraden grünen Reihen vorbei. Die meisten gleichen eher Weinfeldern als Weinbergen.

Auf mindestens 30 dieser Weingüter reift North Fork-Wein. Genauer gesagt wachsen dort französische Trauben wie Chardonnay, Merlot, Sauvignon Blanc, Cabernet (Sauvignon und Franc), Malbec, Syrah, Pinot Noir. Das erscheint den Weinpionieren von Long Island am besten für ein Klima, das vom Meer geprägt ist.

Eine Brise kühlt die Reben im Sommer, der monatelang dauert. Unberechenbares Wetter fordert den Wein obendrein schön. Der Sommer kann feuchte Phasen haben, Gewitterstürme zerren an den Reben, ein plötzlicher Herbsteinbruch kann die Saison frühzeitig beenden. Oft aber ist auf Long Island so richtig Sommer. Wie in Bordeaux. Nur zeitweise schwüler.

Aber amerikanische Weinbauern machen ganz gerne mal Experimente – und Einwanderer steuern Ideen bei. So kommen einige auf die Idee, dass das Klima doch dem deutschen ähnlich sein soll (mir ist diese Beobachtung ein Rätsel, aber ich stamme ja auch nicht aus einer Weinregion). Jedenfalls machen sich auch Dornfelder, Riesling, Blaufränkisch, Müller-Thurgau und Gewürztraminer ganz ordentlich als North Fork-Wein. Die letzten drei liefern beim Bestellen die Chance auf den Extraspaß, einen Ami das aussprechen zu lassen.

Den besten Rosé haben meinere Ansicht nach übrigens Bedell (Wein aus deren Keller gab es auch bei Obamas zweiter Amtseinführung 2013) und Kontokosta (Extraspaß ist deren Gelände: Man darf den Wein mit nach draußen an eine Klippe nehmen, mit herrlichem Blick auf Felsen und über den Long Island Sound).

Apropos Sound: Man kann Long Island natürlich auch mit dem Boot erreichen. Oder einen Wochenendausflug mit einer Bootstour verbinden. Oft gibt es dabei auch einen alten Leuchtturm zu sehen. Dieser hier steht zwar ganz an der Spitze der North Fork, will mit Wein aber nichts zu schaffen haben. Er heißt schließlich Teapot!

 

Teapot Lighthouse in Orient Point