Weggekarrt

Es sieht so aus, als sei bald Feierabend. Und zwar nicht nur der übliche Schichtwechsel zwischen den Coffee Carts, die überall in New York frühmorgens Kaffee und Gebäck verkaufen, und den Lunch Carts, die von Mittag bis zum frühen Abend Hot Dogs oder Kebab braten. Sondern so richtig Feierabend. An der Ecke haben sie gerade die neuen Buchstaben am Laden angebracht. In einer der beiden Glastüren hängen noch die alten. “Pharmacy” steht da. Die Drogerie, die auch ein bisschen Kinderspielzeug und Kram hatte, ist schon länger geschlossen. Gegenüber hat vor einer Weile eine der großen…

Rezession

Sie haben hier ja schon gedacht, die Wirtschaft habe sich wieder von der Krise erholt. So stand es in den Zeitungen, so sprachen kluge Menschen. Aber das stimmt nicht. Und das kann man überall in New York sehen. Das hier ist keine Boutique in einer schicken Gegend. Es ist ein Discounter in East Harlem, eines von diesen Geschäften, die zum Teil Konkursware verkaufen und fast ständig mit “Alles muss raus” werben. Aber jetzt und hier ist der Spruch ernst gemeint. Wie bei vielen anderen auch. Ich arbeite gerade an einer Geschichte, die sich mit solchen…

Königlich unterwegs

Schick geht es immer noch zu, wenn man New York per Schiff betritt oder verlässt. Nur diesen melodramatischen Flair hat es nicht mehr – tränenreiche Abschiede sehe ich jedenfalls nicht, aber das würde auch schwierig, denn wenn man keine Bordkarte hat, darf man erst gar nicht ins Terminal. Fast niemand wird von Familie oder Freunden zum Schiff gebracht. Der Taxifahrer auf dem Hinweg kann es kaum fassen: “Sie wollen mit dem Schiff nach Deutschland fahren?” Nun ja: Ich habe auch immer gedacht, mit dem Schiff nach New York, das wäre ja toll, aber eben auf…

Die Tapfersten und ihre Gefallenen

Zwei Leute erzählen mir, wie sie im Fahrstuhl stecken geblieben sind. Ich möchte das gar nicht hören. Aber sie sagen, es sei doch lustig. Während ihm nämlich mulmig zumute war, fing sie an, sich so richtig zu freuen, nachdem er den Alarm ausgelöst hatte und es per Gegensprechanlage hieß: Da muss die Feuerwehr ran. Feuerwehrmänner gelten unter New Yorkerinnen als sexy. Meine Gesprächspartnerin konnte es nicht nur kaum erwarten, von einem gerettet zu werden. Sondern sie verfluchte den Fahrstuhl dafür, dass es darin keinen Handyempfang gab – sie wollte bei ihren Freundinnen damit angeben. Die…

Prost, Finanzkrise!

Neun Jahre lang hat Brad Estabrooke Wertpapiere verkauft und davon geträumt, damit so reich zu werden, dass er sich ein Weingut kaufen kann. Daraus ist nichts geworden. Und der Job im Finanzwesen ist seit Ende 2008 auch Geschichte. Jetzt schuftet Brad in einer Halle weit draußen in Brooklyn, die Rückenschmerzen kommen nicht vom Sitzen, sondern vom Wuchten. Und hinterher gibt es Schnaps. Schließlich soll der genau so schmecken, wie Brad es sich vorstellt. Er brennt hier – ganz legal – seinen eigenen Gin. Eins der Dinge, die ihm daran am besten gefallen: Nach einigen Tagen…

Kommen und Gehen

Es ist Harlem Week, und eigentlich will ich mir eine Modenschau anschauen. Aber der Wetterbericht warnt vor einem schweren Gewitter, und ich höre lieber drauf, weil ich Freitag Abend schon die Tornadowarnung (!) verpasst habe und nur Glück mit meiner Ortswahl hatte. Und schon schüttet es. Als der schlimmste Wind und Regen aufhören, ist es zu spät für die Modenschau. Also fahre ich nach Spanish Harlem, immerhin (es bestehen große Unterschiede zwischen Harlem und Spanish Harlem), und schaue mir den neuen Target an. Die Supermarktkette kreist New York schon länger ein, und während Wal-Mart vor…

Made in Midtown

Die machen einen ordentlichen Schnitt. Nicht ihren eigenen; sie arbeiten für andere. Im Garment District ist das zunächst gar nicht zu sehen; nicht weit vom Times Square kommt man an vielen Läden vorbei, die Stoffe, Kurzwaren und Kleider für den Großhandel verkaufen. Die meisten Geschäfte spielen sich derweil unbemerkt in den oberen Stockwerken ab. Ramdat Harihar zum Beispiel erfüllt allerlei Sonderwünsche von Designern. Für die gewünschten Musterstücke kann er Stoffe auf die wunderlichsten Arten plissieren, besticken, paspeln, mit Bändern und komplizierten Stichen verzieren. Die Spezialmaschinen, über die sich seine Mitarbeiter beugen, sind gerne mal 70,…