Bunte Wände sind in New York gleichzeitig ein Magnet für TouristInnen und Profimeckerkästen, sie taugen als Aha-Moment-Lieferanten, als Aufreger und als Selfie-Kulisse. Trotzdem lassen HausbesitzerInnen Streetart und Graffiti übertünchen, die Konkurrenz malt drüber, Zerstörungswütige lassen sich dran aus oder es versucht gar wer, das Werk mit Hammer und Meißel ins eigene Wohnzimmer zu befördern – kurzum: Sie sind stets vom Verschwinden bedroht. Deshalb habe ich mich über ein frustrierendes Erlebnis mit der Graffiti Hall of Fame dann doch gefreut.

Graffiti Hall of Fame New York

Die Graffiti Hall of Fame in East Harlem – im Nordosten Manhattans – gibt es seit 1980. Damit hat sie anderen bekannten Streetart-Ansammlungen in der Stadt, etwa der Houston Bowery Wall an eben jener Straßenecke in Manhattan, dem Wellington Court in Queens, dem Bushwick Collective in Brooklyn oder dem 100 Gates Project an der Lower East Side Jahrzehnte voraus. Ray “Sting Ray” Rodriguez hatte damals die Idee, aufstrebenden Graffiti-KünstlerInnen einen Platz zu verschaffen, an dem sie ganz legal und in Ruhe ihrer Leidenschaft nachgehen und ihren Stil verfeinern können.

Graffiti Hall of Fame East Harlem

Den tiefgelegenen Schulhof in East Harlem, auf dem die örtlichen graffiti writers sich seit Ende der 70er Jahre trafen, um einander von ihren Erlebnissen auf U-Bahn-Depots zu berichten und sich auszuprobieren, taufte Sting Ray in Graffiti Hall of Fame um – und gab damit den Wänden einen gewissen Stellenwert und damit Schutz. Das hatte Konsequenzen: Der Ruf dieser Wände schallte bald über das Viertel und über die Stadt hinaus – und die Graffiti Hall of Fame bekam immer öfter Besuch.

Bald darauf begann ein neuer Organisator, Joey TDS, aus den Treffen eine jährliche Veranstaltung zu machen, die den Beinamen “Strictly Kings and Better” bekam – und die Teilnahme ein wenig zur Mutprobe macht. Inzwischen reisen jeden Sommer KünstlerInnen aus aller Welt an, um die Wände fürs kommende Jahr zu gestalten. Dabei treffen Graffiti-Stars der ersten Stunde auf junge Talente. Eins ist jedoch gleich geblieben: Die Graffiti Hall of Fame setzt nach wie vor auch die Schriftzug-Formen, die den Beginn der Streetart markieren.

Die neuesten Werke vom Sommer 2018 machen nostalgisch, sie stehen unter dem Titel “Subway Artist Edition” und sind von KünstlerInnen dieser Zeit gesprüht worden, unter anderem von KOZE, ZAME, SPHERE, LADY PINK und SERO.

Graffiti Hall of Fame Subway Edition

Allerdings ist es gar nicht so einfach, die Werke der Graffiti-Königsklasse anzuschauen. Eine Wand des Schulhofs der heutigen Jackie Robinson-Schule hat auch eine Außenseite, an der ich ohne weiteres entlanggehen kann. Harlem steht da, aber natürlich auf ungewöhnliche Weise.

Graffiti Hall of Fame

Das “L” gibt es auch glatt ein Motiv ab, das den Ortsnamen trägt – und moderne Kommunikationsmittel zeigt.

Graffiti Hall of Fame 2018

Aber die anderen drei Wände zeigen in den Schulhof hinein, rundherum von den üblichen Zäunen gesichert. Da lassen sich durchaus Fotos machen, die so ein bisschen nach “verboten” aussehen, oder?

Graffiti Hall of Fame 2018

Ansonsten führt es aber dazu, dass ein Blick auf Details nur mit Opernglas oder Zoom funktioniert, und ich habe weder das eine noch das andere dabei. Vor einigen Jahren habe ich es mal auf den Schulhof geschafft, weil ich die richtige Begleitung hatte. Ansonsten ist es schwierig, dort hineinzukommen.

Solange Unterricht ist, dürfen Unbefugte logischerweise nicht aufs Schulgelände. Und nach Schulschluss sichern dicke Ketten heutzutage die beiden Tore – und auch die Graffiti. Gerade diese Form der Streetart sehe ich außer hinter diesen Zäunen nur noch selten in New York, da nehme ich es gern hin, dass ich nur einen Bruchteil von ihnen aus nächster Nähe betrachten kann.

Graffiti Hall of Fame 2018

Graffiti Hall of Fame, Jackie Robinson Educational Complex, 106th Street Ecke Park Avenue, East Harlem. Termine für die jährliche Graffiti-Veranstaltung finden sich auf der Facebook-Seite des derzeitigen Ausrichters James Top.