Feiertagswoche hin, Feiertagswoche her (heute ist Thanksgiving): Die Nachrichten in New York geben mal wieder Anlass zur Diskussion. Von der neuen Verbindung zwischen Amazon und NYC habt ihr vielleicht auch in Deutschland schon gehört – ich hab euch allerlei Hintergrund-Links zusammengestellt – und nicht nur bei diesem Thema geht’s um die Schere zwischen Arm und Reich. Außerdem spricht New York über Politik und Mode (und ob da etwa eine Verbindung besteht), über einen Kuss vor Millionenpublikum und natürlich über die U-Bahn.

Amazon kriegt Geschenke aus New York

Seit Amazon-Besitzer Jeff Bezos verkündete, er sei auf der Suche nach einem Firmensitz, konkurrierten Orte im ganzen Land um seine Gunst. Dieses Rennen hat New York (mit-) gewonnen – aber viele New Yorker sind skeptisch, wer dabei eigentlich gewinnen wird. Die Umstände und Bedingungen dieser Entscheidung tragen zur Vertrauensbildung nicht bei. So führten New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio und Andrew Cuomo, Gouverneur des Bundesstaats New York, die Verhandlungen, ohne dass die örtliche Politik oder die Bezirksverwaltung einbezogen wurden – und eine Vertraulichkeitsvereinbarung blockierte Informationen über Details. Selbst PolitikerInnen erfuhren erst aus der Zeitung, dass Amazons HQ2 in Long Island City (Queens) gebaut und das Bauland in Bundesstaatseigentum übertragen wird, auf dem städtische Bauvorschriften nicht zählen. Rund drei Milliarden Dollar bekommt Amazon von New York (dem Bundesstaat und der Stadt) geschenkt, vor allem in Form von nicht zu zahlenden Steuern, aber auch Bauzuschüssen.

KritikerInnen bemängeln unter anderem, die U-Bahn-Linie 7, die im Viertel hält, sei auch ohne die Amazon-Angestellten bereits hoffnungslos überlastet. Zudem fürchten viele, dass mit dem Firmensitz die Miet- und Lebenshaltungskosten in Long Island City steigen werden – und für die BewohnerInnen der gegenüber des Baugeländes gelegenen Sozialwohnungen dort kaum Jobmöglichkeiten anfallen. Der Deal verspricht 25.000 bis 40.000 Jobs binnen der nächsten zehn Jahre, die im Schnitt ein Gehalt von 150.000 Dollar im Jahr einbringen sollen. Die Einkommensschere im direkten Umfeld des geplanten Amazon-Bürogeländes reicht derzeit von einem Median von 15.000 Dollar im Jahr in den Queensbridge Houses zu einem Median von 133.000 Dollar in den Luxuseigentumswohnungen am East River.

(Ausführliche Zusammenfassung bei The Verge nachlesen; Artikel über Reaktionen bei Bloomberg nachlesen und bei NPR anhören; Details über die Finanzzusagen nachlesen bei Market Watch; wichtige Punkte beim Für und Wider von städtischen Deals mit Firmen wie Amazon nachlesen bei Quartz)

U-Bahn-Ermäßigung für die Ärmsten

Steter Tropfen höhlt den Stein: Mit Aktionen wie “Swipe it forward” haben engagierte New YorkerInnen in den Fokus gerückt, wie viele Leute sich keine U-Bahn-Fahrkarte leisten können und Schwierigkeiten haben, zur Arbeit, zur Arztpraxis oder sonstwohin zu kommen. Im Sommer hat die Stadt sich auf eine Abteilung im Haushaltsplan einigen können, die eben jenen Menschen helfen soll. Nun haben die Verkehrsbetriebe MTA die Details verkündet: Ab Januar 2019 können New YorkerInnen Monats- und Wochenkarten zum halben Preis bekommen (vor der geplanten Preiserhöhung wären das 60,50 bzw. 16 Dollar; regulär kosten sie derzeit 121 bzw. 32 Dollar), sofern sie unter der Armutsgrenze leben, also als Einzelperson weniger als 12.000 Dollar im Jahr verdienen oder für eine vierköpfige Familie weniger als 24.399 Dollar zur Verfügung haben. Die AktivistInnen arbeiten dennoch weiter. Denn ausgerechnet vergünstigte Einzelfahrscheine sind im Plan der MTA nicht vorgesehen – die wären aber am ehesten erschwinglich für Menschen, die von der Hand in den Mund leben.

(Nachlesen bei Curbed New York)

Lauter Liebe bei der Thanksgiving Parade

New York ist gleichzeitig eine Bastion des Fortschritts (hier wurden Klopapier, Kreditkarten und Cronuts erfunden) und ein Hort des Rückständigen (Dampfheizungen, 100-jährige U-Bahn-Signale und so fort). Trotzdem habe ich mich heute gewundert. Zur 92. Thanksgiving Parade, die Millionen Nicht-New YorkerInnen im Fernsehen verfolgen, gehören nicht nur die berühmten Ballons und Wagen, sondern auch Aufführungen von MusikerInnen und Broadway-Ensembles. Diesmal war das Musical “The Prom” eingeladen, und bei dessen Sing- und Tanzeinlage haben sich die beiden Hauptdarstellerinnen geküsst. Das hat gefühlt ganz Amerika kommentiert.

Schon stellt sich heraus: In der Geburtsstadt der Gay Pride Parade (seit 1970), auch bekannt als Christopher Street Day, ist 2018  das erste Jahr, in dem bei der Thanksgiving Parade etwas anderes als eine heterosexuelle Beziehung zu sehen war. Dazwischen liegen fast 50 Jahre, in denen PolitikerInnen, Polizeibattalione und Millionen ZuschauerInnen sich auf der Gay Pride hinter die Rechte von Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen stellen. Selbst die gleichgeschlechtliche Ehe ist in NYC schon ein sieben Jahre alter Hut. Trotzdem gibt es heute Menschen, die sich über einen Kuss zwischen Frauen empören – mit dem Argument, da würden doch Kinder zuschauen. Andere jubeln mit eben jenem Hinweis: Wie schön, dass jetzt ganz viele Kinder und Jugendliche sehen, dass sie mit ihren Gefühlen nicht allein oder anormal seien. Das Musical “The Prom” ist ürigens eine Komödie über ein Broadway-Team, das einer lesbischen Schülerin dabei helfen will, mit ihrer Freundin zum Schulball gehen zu dürfen. Ach so, und wenn ihr die Kostüme bewundert, solltet ihr vielleicht auch wissen, dass diese Parade die kälteste ihrer Geschichte war bei -6 Grad und Wind (gefühlt -16).

(Anschauen und nachlesen bei Entertainment Weekly)

Politikerin, nicht Modepüppchen (oder Mädchen)

Viele New YorkerInnen sind stolz darauf, dass einer der meistdiskutierten Neuzugänge im US-Kongress aus dieser Stadt stammt. Allerdings bekommt Alexandria Ocasio-Cortez nicht nur wegen ihres progressiven Politikprogramms Schlagzeilen, sondern zunehmend … wegen ihrer Klamotten. Als hätte es jemand geahnt, verbindet die Sammlung einer Eliteuni im Norden des Bundesstaats New York nun Mode und Durchsetzungskraft in einer Ausstellung, und ratet mal, was in “Women Empowered: Fashion From the Frontlines” einen Platz bekommen hat? Alexandria Ocasio-Cortez’ vom Wahlkampf-Klinkenputzen durchgelatschte Schuhe.

(Anschauen auf der Instagram-Seite der Cornell Costume Collection; Artikel über die Diskussion von Alexandria Ocasio-Cortez’ Kleidung bei USA Today nachlesen)

Der Vorteil vom Nachteil in der New Yorker U-Bahn

Über die New Yorker U-Bahn kann man die Nase rümpfen oder sich lauthals beschweren – oder schmunzeln. Jedenfalls erreichen Letzteres zwei anonyme Studierende, die unter dem Namen “MTA Museum” die Schattenseiten des öffentlichen Nahverkehrs in der Stadt darstellen, als seien sie Kunstwerke. Titel und Beschreibung auf den Plaketten, die sie an U-Bahn-Stationen in Brooklyn und Manhattan hinterlassen, sagen die Wahrheit, aber eben auf besondere Art. Zum Beispiel: “Of Mice and Men” (Subway Edition), 1904″ an der Bahnsteigkante, beschrieben als Live-Installation, zu der als weiterer politischer Kommentar sogar lebende Kakerlaken beigefügt wurden. Nachdem der TV-Moderator Pat Kiernan das Werk “Untitled – Butt Pattern” (Hinternabdruck) aufgriff, machte der Spaß schnell Schlagzeilen.

(Anschauen bei MTA Museum, Artikel über die Aktion bei Gothamist nachlesen)