Sie nennen es Dyker Lights und Megawatt Christmas, pappen Eigenschaften wie legendär, extravagant und glanzvoll dran, und schon verabschiedet sich die Weihnachtsbeleuchtung in Dyker Heights (Brooklyn) vom gemütlichen Geheimtipp-Dasein.
Vor gar nicht langer Zeit schrieb ich zum ersten Mal drüber, verkaufte Bildrechte und eine Extrageschichte an eine deutsche Nachrichtenagentur, und auf einmal schmückten die Lichter von Dyker Heights allerlei deutsche Tageszeitungen. Da bekam ich dann zu hören, dass das ja typisch amerikanisch sei, immer müssen die alles übertreiben.
Müssen sie nicht. Aber ich sehe gar nicht ein, dass ich zum Beweis den Weg dorthin filme – mit kilometerlang schmucklosen Fassaden. Ihr könnt es euch denken. Bis nach Dyker Heights ist es von Manhattan aus ganz schön weit, einige Teile von Staten Island sind viel näher dran. Aber inzwischen kommen die Menschen in Scharen, um das – selbst für New Yorker – außergewöhnliche Spektakel zu erleben.
Doch das hat Folgen. Dieses Jahr sagen die Bewohner … ach, da hab ich doch ein passendes Bild:
Die Weihnachtslichteraufhänger haben nicht etwa eine Charakteränderung erlitten. Etwas anderes hat sich verändert. Unter anderem:
Ja, da stehen Straßensperren und die Polizei. Die lasst ab und an ein paar Autos durch. Deshalb erlebe ich in diesem Jahr zum ersten Mal, dass sich die Autos nicht stauen – mit Insassen, die mit Linsen auf Lichter zielen und unchristlich fluchen, wenn jemand im Weg steht. Oder hupen, damit es mal weitergeht. Die Szene da oben spielt sich nicht etwa während des Hauptandrangs ab, sondern an einem frühen Abend unter der Woche.
Rund 100.000 Menschen kommen in der Vorweihnachtszeit, um sich am Lichterglanz und den teils beweglichen Figuren zu erfreuen. Tourbusse laden Gäste aus und bleiben immer in der Nähe, besonders, wenn es kalt ist. Manche Tourguides ermahnen dabei zu Rücksichtnahme: “Remember, these people live here!”, sagt einer. Ein anderer wedelt mit einem ultragrellen Licht, damit seine Gäste ihn finden. Ob er wohl fürchtet, mit einer Krippenfigur verwechselt zu werden?
Bewohner berichten von Leuten, die auf ihren Grundstücken parken, pinkeln und Müll hinterlassen. Aber sehr viele Besucher benehmen sich wie ganz normale Menschen. Geduldig reihen sie sich zu einer Schlange, damit jede den freien Blick vom Gartentor eines toll geschmückten Hauses hat. So geht es doch auch.
Gerade hier, zwischen den beiden berühmtesten Häusern, mit denen vor gut 30 Jahren der leuchtende Weihnachtsschmuck begonnen hat, strömen allerdings immer wieder viele Menschen auf die Straße. Anwohner befürchten, dass irgendwann ein Unfall passiert.
Deshalb wollten sie die Dyker Lights zur offiziellen Veranstaltung machen – und dafür eine städtische Genehmigung einholen. Damit hätten sie mehr Hilfe von der Verkehrspolizei bekommen – und auch mehr Regeln durchsetzen können, etwa um wieviel Uhr die Lichter abgeschaltet werden und damit der Massenandrang endet (und die CO2-Bilanz anders ausfällt). Doch daraus wurde nichts. Manche Anwohner fanden das Ansinnen eh übertrieben – nach dem Motto: cool bleiben!
Das kann ich euch auch nur raten, wenn ihr euch die vielfältige Weihnachtsbeleuchtung in Dyker Heights anschauen wollt. Da leuchtet es übrigens nicht nur, es findet sich auch allerlei Dekoration hinter den Fenstern, sogar Filmprojektionen. Und einige Vorgartenfiguren geben glatt noch einen guten Tipp ab:
Ich finde übrigens bei jedem Besuch aufs Neue faszinierend, wie viele unterschiedliche Stile die Menschen beim festlichen Schmücken zur Schau stellen. Elegant oder niedlich, überbordend oder minimalistisch, mit Weisen aus dem Morgenland oder Superhelden aus der Comicwelt. Neu ist mir diesmal, wie oft ein Extraschild darum bittet, nicht zwischen den Lichterketten und Figuren herumzuspringen – zum Teil, obwohl schon eine Mauer oder ein Zaun daran erinnern. Schade, dass das offenbar nötig geworden ist.
Wenn ihr jetzt Lust auf Dyker Heights bekommen habt, vergesst nicht, eine Portion Respekt und gesunden Menschenverstand mitzunehmen.
Noch ein paar Blinkerle vom New Yorker Weihnachtsglanz für euch:
- Die Weihnachtslichter von Dyker Heights findet ihr zwischen 83rd und 85th Street und 11th und 13th Avenue in Brooklyn. Eine Facebookseite beantwortet Fragen zur Anfahrt etc.
- Zum Vergleich mit früheren Jahren schaut euch doch zum Beispiel Fotos und Video von 2011 an; schon 2010 hatte ich ein bisschen Hintergrundgeschichte über Dyker Heights aufgeschrieben.
- Alles über Weihnachten in New York – von Weihnachtsmärkten bis Lebkuchenhäusern – findet ihr in diesem Überblick.
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Anke von Heyl
Dezember 18
Liebe Petrina,
ich denke eigentlich auch immer spontan: boah, wie übertrieben. Hier in dem kleinen Städtchen vor den Toren Kölns gibt es ein winziges Haus, deren Bewohner jedes Mal das volle Programm fahren. Und in Deutschland wundert man sich dann schon darüber. Obwohl es auch hier immer mehr zunimmt mit der Beleuchtung. Einerseits ist es schön – andererseits bin ich zum Beispiel total empfindlich bei blinkenden Lichtern. Und da blinkt eine Menge bei den aktuellen Weihnachtslichtern. Ich finde z.B. eine Kerze im Fenster total schön. Aber ist eh alles Geschmacksache.
Vielen Dank für deine schönen Berichte aus N.Y. (ich möchte gerne mal wieder hin!! Vielleicht klappt es 2018). Ich wünsche dir ein frohes Fest und einen glücklichen Start in 2018. Wir lesen uns!!
Herzlichst
Anke
Petrina Engelke
Dezember 18
Liebe Anke,
mit den Lichtern kann man es ja auch übertreiben! Eine Lieblingsfrage New Yorker Reporterinnen in Dyker Heights enthält das Wort “Stromrechnung”. ;-) Mein Punkt ist: So weit treibt es aber nur eine Minderheit. Ähnlich wie du es vom Dorf in der Nähe von Köln beschreibst, fällt es auch hierzulande auf, wenn jemand sein Haus im Advent so arg verwandelt. Das heißt aber eben nicht, dass so was Standard ist.
In Dyker Heights hat sich der Weihnachtsschmuck nach dem Vorgartenprinzip verbreitet: Fängt erst einmal jemand im Häuserblock an, den Vorgarten frisch zu bepflanzen (oder dessen Rasen zu mähen oder Laub wegzuharken etc.), dann ziehen im Nu die anderen Vorgartenbesitzer nach. Das funktioniert auch mit Lichterketten und Co.
Blinkelichter finde ich auch anstrengend, derer gibt es in Dyker Heights zum Glück kaum. Aber eine (elektrische) Kerze stellen hier auch einige Leute ins Fenster!
Vielen Dank für deine guten Wünsche und fürs Lesen und Schreiben. Ich wünsche dir auch schöne Feiertage und ein inspirierendes 2018!
Liebe Grüße
Petrina
Eva
Dezember 19
Hallo Petrina,
wir reisen erst am 20.01.18 für 1 Woche nach New York. Wie lange kann man diese Dekoration denn wohl bewundern?
Das würden wir uns sehr gerne mal ansehen.
Herzliche Grüße aus Deutschland und frohe Weihnachten!
Eva
Petrina Engelke
Dezember 19
Liebe Eva,
der Weihnachtsschmuck in Dyker Heights verschwindet nach den Feiertagen wieder, dafür seid ihr also zu spät dran. Ihr könntet stattdessen aber Rolf’s German (!) Restaurant besuchen, dessen Weihnachtsdeko mit Tausenden Kugeln, Lichtern und Figuren bleibt bis Mai. So sah das im letzten Jahr aus:
https://www.moment-newyork.de/erleben/12777-rolfs-german-restaurant-weihnachten
Schöne Feiertage und eine gute Reise (nehmt euch Klamotten für Zwiebellook mit – draußen oft arg windig-kalt, drinnen viel zu heiß)!
Petrina